#GründenNRW-Podcast – Everwave/Plastic Fischer
Karsten Hirsch: Es kommen so acht bis zwölf Millionen Tonnen Plastik jedes Jahr in die Meere. Das ist so die Schätzung. Das ist vergleichbar mit einem Truck die Minute, die ins Meer gekippt wird.
Clemens Feigl: Im Idealfall übernehmen die produzierenden Unternehmen die Verantwortung, die dann am meisten auch von dem Müll profitieren.
Anna-Lena Kümpel: Hallo und herzlich willkommen zur Neuen Gründerzeit NRW. Ganz schön, dass du wieder dabei bist. Für die, die das erste Mal einschalten. Mein Name ist Anna-Lena Kümpel. Ich moderiere den Podcast und wir haben heute eine Premiere. Ich interviewe gleich zwei Gründer von unterschiedlichen Start-ups gleichzeitig. Hier bei mir sind Clemens Feigl von Everwave und Karsten Hirsch von Plastic Fischer. Hallo, ihr beiden.
Karsten Hirsch: Hallo.
Clemens Feigl Hi. Danke für die Einladung.
Anna-Lena Kümpel Ja, total gerne. Lass uns mal direkt rein starten. Clemens, wir fangen bei dir an. Was ist denn Everwave?
Clemens Feigl: Everwave ist ein Social Enterprise. Ein Green Start-up, das sich mit der Vermüllung unserer Ozeane beschäftigt. Und wir haben zum einen Technologien entwickelt, die Flüsse aufräumen und von Plastikmüll befreien. Und zum anderen machen wir aber auch sehr viel Öffentlichkeitsarbeit, Marketingkampagnen, um Menschen zu sensibilisieren.
Anna-Lena Kümpel: Karsten, was ist denn Plastic Fischer?
Karsten Hirsch: Plastic Fischer war vor etwas mehr als drei Jahren, als wir die Firma gegründet haben, eine der ersten Firmen, die sich auf Flüsse konzentriert haben, um Ozeanplastik zu verhindern. Und wir haben eine sehr einfache Technologie entwickelt, die aus weltweit verfügbaren Materialien gebaut werden kann und mit der wir sehr viel Plastik stoppen, damit es nicht in die Meere gelangt.
Anna-Lena Kümpel: Also das heißt, ihr holt beide Plastik aus Flüssen, beide so irgendwo hier in der Nähe Rheinland. Ich glaube Everwave, ihr sitzt in Aachen.
Clemens Feigl: So ist es, ja genau.
Anna-Lena Kümpel: Oh, euch darf man nicht mehr Rheinland nennen, oder?
Clemens Feigl: Ich bin aus München. Mich trifft es auch nicht so ganz konkret, aber ich glaube, da wäre der eine oder andere Stolz verletzt.
Anna-Lena Kümpel: Okay. Und Carsten, ihr seid in Köln. Sind die Flüsse in NRW so dreckig, dass ihr auf diese Idee gekommen seid?
Karsten Hirsch: In NRW nicht. Zumindest nicht so sichtbar. Ich bin nach meinem Jurastudium mit zwei Freunden nach Vietnam geflogen und dort haben wir gesehen, wie verschmutzt der Mekong ist. Und zurück in Deutschland haben wir uns dann ein bisschen an den Laptop gesetzt und recherchiert und festgestellt: Es gibt keine Firma, die Ozeanplastik in Flüssen stoppt, die wir zu dem Zeitpunkt finden konnten, und haben uns dann entschieden, selber eine Firma zu gründen und irgendwas zu entwickeln, um in Asien Flussplastik zu stoppen.
Anna-Lena Kümpel: Und wo seid ihr hauptsächlich aktiv?
Karsten Hirsch:
In Indien und in Indonesien.
Anna-Lena Kümpel: Clemens, wie ist es bei euch? Wie kamst du auf die Idee, dass man Everwave mal gründen müsste?
Clemens Feigl: Also wir haben einen bisschen anderen Weg genommen. Meine Mitgründerin Marcella hat damals Ende 2013 eine Masterarbeit geschrieben und hat sich mit dem Thema Meeresplastik beschäftigt. Und da ging es tatsächlich um den Meeresmüllstrudel. Und der sollte verhindert werden. Sie hat eine Technologie damals entwickelt, um diesen Strudel aufzulösen oder aufzuräumen. Wir haben dann auch festgestellt, die Forschung ist da sehr einheitlich und spricht in die gleiche Richtung, dass es keinen Sinn macht, auf offenem Ozean Müll zu sammeln. Zu spät, das Material ist zu schlecht. Wir können es in gar keinem Fall mehr in den Kreislauf zurückbringen. Und deswegen haben wir uns auch umorientiert, die Technologie angepasst, um eben auf Flüssen und Süßgewässern zu arbeiten und so den Zustrom zu verhindern. Wir sind geografisch ein bisschen anders aufgestellt als Plastic Fischer. Wir haben auch Corona-bedingt dann hauptsächlich in der Balkanregion gearbeitet, weil es einfach Reiserestriktionen gab und haben jetzt Anfang diesen Jahres das erste Langzeitprojekt in Kambodscha umgesetzt und schauen jetzt im Prinzip in die gleichen Richtungen. Der afrikanische Kontinent ist spannend für uns. Südostasien ist spannend, Flüsse zum Arbeiten gibt es leider mehr als genug.
Anna-Lena Kümpel: Ich glaube, ihr habt zwei unterschiedliche Technologien. Clemens, wie funktioniert das bei euch? Wie holt ihr Plastik aus Flüssen?
Clemens Feigl: Wir haben zwei Technologien. Einmal setzen wir sehr flexible und mobile Müllsammelboote ein, die bis zu 20 Tonnen am Tag Müll sammeln können, hauptsächlich an Stauseen und an Stellen, wo sich Müll sammelt. Das Boot ist in Kambodscha im Einsatz und in der Balkanregion. Und die andere Technologie, die wir entwickelt haben, ist eine stationäre Plattform, die wir im Prinzip abgeschaut haben von dieser Ursprungsidee, die jetzt im Langzeittest ist in Italien. Da geht es wirklich darum, dass wir 24 Stunden, sieben Tage die Woche ohne Energie einzusetzen, Müll separieren können. Und im Idealfall können Plattform und Boot gemeinsam arbeiten. Also die Boote entleeren die Plattform.
Anna-Lena Kümpel: Und wie funktioniert das bei euch? Wie funktioniert das bei Plastic Fischer, Karsten?
Karsten Hirsch: Wir haben das Pferd ein bisschen von hinten aufgezäumt. Wir sind nach Indonesien gezogen und haben gesagt: Okay, wir schauen einfach, was können wir vor Ort bauen, um Plastik dort zu stoppen? Wir hatten erst überlegt, ein Wasserrad zu bauen. Das haben wir auch mal in Köln getestet vorher und festgestellt, vor Ort funktioniert es nicht. Und wir haben mit der indonesischen Armee zusammengearbeitet, die dort einen der dreckigsten Flüsse der Welt sauber macht, den Citarum, in Indonesien und festgestellt, die fahren einmal am Tag mit dem Boot raus und keschern quasi das schwimmende Plastik aus diesem Fluss. Wir haben uns gedacht, das können wir vielleicht effizienter gestalten, indem wir einen schwimmenden Zaun bauen und damit das schwimmende Plastik stoppen und dort quasi die Armee einmal am Tag hinfahren kann und das gesamte Plastik einsammeln kann.
Anna-Lena Kümpel: Ihr wolltet ein Wasserrad bauen. Ihr hattet das in Köln getestet und das hat nicht funktioniert in Indonesien. Warum nicht?
Karsten Hirsch: Wir haben uns dieses Rad von Lachs-Fischern abgeschaut. In Alaska. Das ist ein Rad. Dieses Rad dreht sich durch die Strömung und die Lachse schwimmen dort rein und werden quasi automatisch an Land geschleudert. Und das ist so effizient, dass es verboten ist. Und wir haben gedacht, wir machen das gleiche nur mit Plastik und haben das in Köln probiert und es hat funktioniert. In Indonesien haben wir festgestellt, in der Trockensaison hat der Fluss nicht genug Strömungskraft, um das Rad anzutreiben und den Müll über das Wasserrad heraus zu transportieren. Und deshalb haben wir gesagt: Okay, in einer Umgebung wie in Indonesien, wo wir verschiedene Zeiten haben, Trocken- und Monsunzeit, können wir dieses Rad nicht die meiste Zeit des Jahres einsetzen.
Anna-Lena Kümpel: Wie habt ihr denn eure Technologien entwickelt?
Clemens Feigl: Die Boote sind eine Weiterentwicklung auf einem bestehenden Konzept. Das ist ein Familienunternehmen aus dem Emsland. Diese Boote werden normalerweise zur Gewässerunterhaltung eingesetzt, wenn zum Beispiel die Kanäle in den Niederlanden gemäht werden müssen. Sogenannte Mähsammelboote. Und die haben wir gesehen. Und der Bootsbauer ist auf uns zugekommen vor zwei Jahren und hat gesagt, dass er glaubt, dass man die möglicherweise auch, wenn man sie optimiert, für Müllsammeln einsetzen könnte. Und das haben wir gemacht. Wir haben dann gesagt, wir wollen das mit ihm ausprobieren, das hat sehr gut funktioniert. Und dann haben wir so peu à peu über unser Netzwerk die Boote eben auch ergänzt, jetzt zum Beispiel durch eine künstliche Intelligenz, also dass die Boote in der Lage sind, nicht nur den Müll zu sammeln, sondern wir parallel auch Daten zu dem Müll. Das war die Entwicklung des Boots, und die Plattform haben wir selbst entwickelt. Mit großer Unterstützung der RWTH Aachen, weil wir einfach als Start-up nicht die Möglichkeiten haben, in großen Becken zu testen. Da brauchen wir einfach das Know-how und auch die Einrichtung einer Universität.
Anna-Lena Kümpel: Wenn man in so einem Bereich gründet wie Mikroplastik, Meeresplastik, Umweltverschmutzung, wird man, glaube ich, irgendwann zum Experten für dieses ganze Thema. Ich würde gerne mit euch so ein bisschen rund um das Problem gehen. Wie groß ist das Problem von Plastik in Meeren und wie groß ist das Problem mit dem Zulauf aus Flüssen? Habt ihr irgendwelche Zahlen?
Karsten Hirsch: Es kommen so acht bis zwölf Millionen Tonnen Plastik jedes Jahr in die Meere. Das ist so die Schätzung. Das ist vergleichbar mit einem Truck, die Minute, die ins Meer gekippt wird. Und ich sage mal, allgemeines Verständnis ist mittlerweile, dass knapp 80 % über Flüsse bzw. über asiatische Flüsse in die Meere gelangen.
Clemens Feigl: Ergänzend dazu. Ich finde es immer schwierig, die Größe eines Problems zu beschreiben, weil mit was wollen wir es vergleichen? Wir sind der Meinung, dass die Verschmutzung unserer Ozeane eine der größten Herausforderungen unserer Zeit sind und dafür, dass es diese Herausforderung ist oder dieses Problem ist immer noch viel zu wenig thematisiert und gesehen wird und vor allem auch viel zu wenig Verantwortung dafür übernommen wird, wer den ganzen Müll eigentlich aufräumt.
Anna-Lena Kümpel: Ich habe das Gefühl, es ist ein Problem, das viele Menschen kennen. Ich kriege das mit bei Schulkindern, die es in meinem Umfeld gibt, dass sie auch in der Schule darüber sprechen. Also die laufen alle zu Hause rum und wissen, dass wir zu viel Plastik im Meer haben und schimpfen auch über Plastikverpackungen. Gibt es viele Start-ups in dem Bereich? Wie sieht euer Umfeld aus, eure Marktbegleiter?
Karsten Hirsch: Ich finde, es gibt viel zu wenig in dem Bereich. Ich würde sagen Everwave und Plastic Fischer sind die einzigen in Deutschland, wahrscheinlich, die als Unternehmen das Ganze angehen, was ich sehr wenig finde für ein Land, was sehr viele Start-ups hervorbringt. Ich habe sonst nicht so richtig eine Organisation auf dem Schirm. Das Problem ist riesengroß und wichtig. Meines Erachtens ist eben auch, dass die Firmen nicht vergessen, dass es nicht um sie geht, sondern um die Lösung des Problems. Das geht nur über Zusammenarbeit. Die Zusammenarbeit gibt es in dem Bereich absolut unzureichend. Und auch die Unterstützung für Firmen wie eben Everwave oder Plastic Fischer ist absolut unzureichend. Es muss viel mehr Firmen geben, die sich diesem Problem widmen und die das Problem angehen.
Anna-Lena Kümpel: Wo würde das Geld denn herkommen für eure Arbeit?
Clemens Feigl: Im Idealfall übernehmen die produzierenden Unternehmen die Verantwortung, also die, die dann am meisten auch von dem Müll profitieren durch Verkauf. Das ist auf jeden Fall was, was es mehr braucht. Also diese Extended Producer Responsibility. Das funktioniert über dieses Plastic-Credit-System, das wir beide anbieten, also quasi eine Müllkompensation, auch ganz gut. Das Problem ist die Freiwilligkeit in dem Kontext. Also es gibt keine Verpflichtung zur Kompensation und das ist natürlich was, das müssten wir anstreben, aber auch größere Fördertöpfe, also wir kennen sie alle, der Green Deal, Horizon 2020, da wird von mehreren Milliarden Förderung gesprochen. Die Fördertöpfe gehen auf jeden Fall an den Start-ups, die wir kennen, weitestgehend vorbei oder sind zumindest so schwer zu erreichen, dass sich ein Kleinst- bis Kleinunternehmen überhaupt nicht leisten kann, sich damit lang zu beschäftigen. Also mit einem Förderantrag und dann zwei Leute dran sitzen und dann kommt ein einfaches Nein, dann setzt man die Zeit lieber anders ein.
Karsten Hirsch: Das ist ein sehr guter Punkt, die Förderanträge von Bund und Ländern zu bekommen, als relativ kleine Start-ups sind unmöglich. Meistens erreicht man auch nicht das Fördervolumen. Also ich sage mal, jetzt gucke ich gerade einen Förderantrag heute und sehe, das Fördervolumen sind drei bis sechs Millionen Euro und das muss sich decken mit den letzten drei Jahren des Jahresumsatzes, wo ich sage: Okay, schade. Wir brauchen gar nicht so viel Geld, wir könnten mit dem Geld eine Menge anfangen vor Ort, aber wir sind einfach nicht dafür qualifiziert. Deshalb geht es dann wahrscheinlich eher an Unternehmen, die mehr Geld aufwenden, aber nicht unbedingt mehr Impact machen. Noch ein Punkt zu dem Thema: Wer sollte es bezahlen? Der Clemens hat Extended Producer Responsibility angesprochen. Es stimmt, dass es das nicht ausreichend gibt. Es gibt es meines Erachtens hier in Deutschland. Wir haben das duale System, viele kennen den grünen Punkt. Das heißt, wenn man hier in Deutschland etwas auf den Markt bringt, muss man für die Entsorgung zahlen. Produzierst du in Deutschland und bringst es nach Asien oder produzierst in Asien und bringst es vor Ort auf dem Markt, gibt es das duale System nicht und das ist, glaube ich, das, was ich ändern muss, dass dieses duale System global aufgebaut wird und dadurch eben auch Abfallwirtschaft gerade in den Entwicklungsländern oder Schwellenländern aufgebaut werden kann.
Anna-Lena Kümpel: Wie schwer ist es, Kunden zu gewinnen und zu überzeugen? Weil dieses System ist ja nicht verpflichtend. Das heißt, Firmen müssen das nicht tun.
Clemens Feigl: Ich würde sagen, dass es durch die aktuelle Phase herausfordernder ist, weil Unternehmen natürlich auf ihre Budgets schauen, an denen natürlich möglicherweise gekürzt wird oder auf die etwas mehr geschaut wird durch die aktuelle Entwicklung. Das finden wir sehr schade, weil das Problem wird nicht kleiner, sondern größer in der Zeit. Und wir finden, dass man gerade jetzt auch als Unternehmen ein Zeichen setzen kann. Dass man sich trotz der herausfordernden Zeit für die Umwelt und für saubere Ozeane einsetzt.
Anna-Lena Kümpel: Was macht ihr denn mit dem Plastik, das ihr aus den Flüssen holt, Karsten?
Karsten Hirsch: Wir bauen eigene Sortieranlagen auf, an jedem Standort, an dem wir arbeiten, und bringen das Plastik von unserem System zu diesen Sortieranlagen. Dort wird es getrocknet und dann sortiert in recycelbares und nicht-recycelbares Material. Der überwiegende Teil des Materials ist nicht-recycelbar und dieser Teil wird getrocknet, komprimiert und zu Zementanlagen geschickt, wo das Ganze verbrannt wird und daraus wird Energie gewonnen. Das ist das, was wir in Deutschland auch machen mit diesem Müll. Und alles, was recycelbar ist, verkaufen wir an lokale Recycler und sorgen dafür, dass es wieder in die Wertschöpfungskette gelangt.
Clemens Feigl: Da würde ich da gern, weil wir vorhin auch ganz kurz das Thema hatten, dass da auch oft ein falscher Eindruck entsteht, wie groß solche Probleme sind. Wir würden alle sehr gerne viel, viel mehr Material zurück in den Kreislauf bringen. Die Erfahrung, die wir machen in den Regionen, in denen wir arbeiten, ist, dass das Plastik, auch wenn es nur im Süßwasser geschwommen ist, extrem schwierig wieder in den Kreislauf zurückzubringen ist, weil es zersetzt ist, weil es kontaminiert ist. Und wir sind aktuell bei 15 bis 20 % in dem Projekt in Kambodscha, die wir zurück in den Kreislauf bringen können. Wir wollen natürlich einen deutlich höheren Anteil erreichen, aber es ist wichtig, auch darauf hinzuweisen. Sobald das Plastik die Gewässer erreicht, hat es einen Wertverfall. Und wir als Gesellschaft sollten daran Interesse haben, dass wir den Rohstoff oder die Rohstoffe, die darin eingesetzt werden, so gut es geht erhalten.
Anna-Lena Kümpel: Gehen wir noch mal zurück an den Anfang. Wie habt ihr denn euren Start finanziert? Ich meine, Clemens Ihr habt Boote gebaut, das kostet Geld. Wo kam das her?
Clemens Feigl: Wir haben, das war 2018, ein Crowdfunding gemacht damals. Es war relativ erfolgreich mit über 200.000 Euro, konnten dadurch auch erste Stellen schaffen. Ich habe damals tatsächlich selber noch in meinem ursprünglichen Beruf gearbeitet und bin dann peu à peu in das Projekt mit reingewachsen. Und dann gab es erfreulicherweise auch tatsächlich Unternehmen, die uns sehr früh schon vertraut haben. Da gehört auch ein Vertrauensvorschuss dazu, den wir versuchen zurückzuzahlen. Und die Anzahl der Unternehmen, die den Weg gemeinsam mit uns beschreiten, wächst mit den Erfolgen. Das ist zwangsläufig so, wir können mehr kommunizieren, wir können über unseren Impact berichten. Und wir haben ganz klassisch eine Finanzierungsrunde gemacht. Ende letzten Jahres mit der NRW.Bank und Capacura, einem Impact-Investor aus Köln, die erfreulicherweise an uns und die Idee geglaubt haben. Und jetzt geht es an die Skalierung und weltweit Müllsammeln.
Anna-Lena Kümpel: Habt ihr irgendwas bekommen an EXIST-Gründerstipendium? Wart ihr in irgendwelchen Accelerator-Programmen?
Clemens Feigl: Wir nicht. Wir waren alle berufstätig nebenher. Das war sozusagen unser Gründerstipendium. Es ging aber, dann war das Crowdfunding im Prinzip die Lösung, die wir gesucht haben, um Stellen zu schaffen.
Anna-Lena Kümpel: Karsten, wie habt ihr euren Start finanziert?
Karsten Hirsch: Wir haben aus eigener Tasche 25.000 Euro auf den Tisch gelegt. Besser gesagt Georg, der als Einziger bis da zu dem Zeitpunkt wirklich gearbeitet hat. Und dann haben wir von diesen 25.000 Euro knapp zwei Jahre lang gearbeitet, bis wir unseren ersten Umsatz gemacht haben, haben uns 700 Euro brutto ausgezahlt, haben keinerlei Stipendium bekommen. Ja, das war auf jeden Fall eine lehrreiche Zeit.
Anna-Lena Kümpel: Und jetzt seid ihr ja als Start-ups im Bereich Impact, im Bereich Environment eigentlich ganz gut zu vermarkten, zumindest in der Start-up-Szene. Also ich kann mir vorstellen, dass ihr bei Wettbewerben und so eigentlich ganz gerne gesehen seid. Seid ihr viel auf Wettbewerben unterwegs? Macht das irgendwie was mit euch?
Karsten Hirsch: Wir haben einige Wettbewerbe mitgemacht und wir haben natürlich auch immer den Vorteil, dass wir Bilder haben, die für sich sprechen und die einen ganz gut abgrenzen von einem Tech- oder Fintech-Start-up, was dir dann kompliziert erklärt, wie du Geld sparst oder wenn du einen Trash Boom zeigst, das tonnenweise Müll stoppt. Das gibt einem bei so Challenges definitiv einen Vorteil. Dieses Jahr wurden wir zum World Economic Forum eingeladen. Wir wurden dieses Jahr ausgezeichnet als Top Innovator vom World Economic Forum und ich war in Davos und habe dort Plastic Fischer vorgestellt. Und auch bei COP27 habe ich gesprochen. Aber was ich da grundsätzlich mitnehme, ist, dass man sehr viel Applaus bekommt und Komplimente für die tolle Arbeit. Aber am Ende öffnen sich die Portemonnaies nicht und die Leute vertrauen darauf, dass ja schon irgendjemand uns Geld geben wird, mit dem wir dann die Welt retten. Ein bisschen übertrieben ausgedrückt. Und das ist ein großes Problem, weil ich meine Angestellten nicht mit Komplimenten bezahle, sondern wirklich 60 Vollzeitjobs mit Gehältern mit echtem Geld bezahle. Und das bedeutet, ich bedanke mich für den Applaus, aber ich würde mich noch mehr freuen, wenn danach auf E-Mails geantwortet würde. Oder Unternehmen tatsächlich eine Kollaboration eingehen und das passiert leider zu selten.
Anna-Lena Kümpel: Wie sehen denn eure Teams aus? Ich nehme an, ihr seid nach mehreren Jahren nicht mehr ganz zwei bis drei Leute und etwas über eure Gründungsteams rausgewachsen. Carsten, wie ist Plastic Fischer aufgestellt?
Karsten Hirsch: Ich bin weiterhin der Geschäftsführer und zum Glück mit im Team ist mittlerweile Aviel. Aviel ist Israeli, hat dort über zehn Jahre in der israelischen Navy als leitender Ingenieur gearbeitet und Schiffe gebaut, hat dann so eine kleine spirituelle Reise für zwei Jahre durch Indien gemacht, das Müllproblem gesehen und sich beim Ocean Cleanup und bei mir beworben. Ich war damals noch quasi alleine und Gott sei Dank hat er sich uns angeschlossen. Mit Aviel arbeite ich aus Köln und leite die Firma hier und meine beiden ersten Angestellten Rishabh und Harish aus Indien. Die sind jetzt Direktoren der indischen Firma, sind auch Ingenieure und wir haben jetzt ein Ingenieursteam und haben dann eben lokale Projektmanager, die aus den Orten kommen, wo wir arbeiten. Und die stellen sich die Teams zusammen.
Anna-Lena Kümpel: Wie viele Menschen sind das aktuell?
Karsten Hirsch: 64.
Anna-Lena Kümpel: Und wie funktioniert Führung auf diese Entfernung?
Karsten Hirsch: Ich habe mir gedacht: Okay, ich sitze jetzt hier in Köln und wir wollen aber am anderen Ende irgendwie Impact machen. Wie machen wir das? Und irgendwie ist mir auch klar geworden, wenn wir skalierbar sein wollen, darf es eigentlich nicht sein, dass ich als Jurist, der keine Ahnung von Abfallwirtschaft hat, vor Ort sein muss. Also haben wir angefangen, remote zu hiren, während Corona, und wir haben über 30 Angestellte gehabt, bevor ich das erste Mal vor Ort war. Wie das genau funktioniert, kann ich nicht sagen. Es ist, glaube ich, sehr, sehr viel Arbeit, die Aviel hereinsteckt, sehr viel Mikromanagement, sehr viele Calls über die Zeitzonen und Kulturen hinweg. Es ist irgendwie keine Rocket Science, aber es scheint auch nicht so einfach zu sein, sonst würden es mehr machen.
Anna-Lena Kümpel: Clemens, wie sieht das Everwave Team aus?
Clemens Feigl: Das Everwave Team besteht in Deutschland aus zwölf Mitarbeitenden. Die sind in ganz Deutschland verteilt. Wir waren auch schon immer im Prinzip eine Remote-first-Firma. Ich sitze und lebe auch in München, bin alle zwei, drei Wochen in Aachen. Wir haben Kolleg:innen in Hamburg, in Berlin und weltweit ist es so, dass wir jetzt ein Core Team, nenne ich es mal, in Kambodscha von 23 Mitarbeitenden haben plus dann noch der informelle Sektor, also die Menschen, die uns beim Müllsammeln an den Ufern unterstützen. Das sind auch noch mal 70 Menschen in der Spitze. Ich empfinde das schon als herausfordernd. Auch jetzt, gerade in der Geschäftsführung, ist es einer der Hauptbestandteile zu schauen, dass wir einfach für gewisse Werte stehen. Bei Everwave, da glaube ich, ist eine Vergleichbarkeit zu allen anderen Start-ups auch. Der Unterschied ist nur der, dass uns einfach alle das Gleiche antreibt. Also wir haben noch diesen Motivationskick mehr zu geben und uns für das Projekt zu engagieren.
Anna-Lena Kümpel: Das klingt ganz, ganz schön. Und damit gehen wir einfach Richtung Ende des Podcasts. Vielen, vielen Dank, dass ihr da wart. Vielen Dank für eure Zeit und damit machen wir hier zu. Vielen Dank an dich zu Hause, dass du bis jetzt dabei warst. Hör liebend gern in unsere anderen Interviews rein. Du findest alle auf dem Podcatcher deiner Wahl, wenn du neue Gründerzeit Nordrhein-Westfalen eingibst oder auf Gründen.NRW. Ich wünsche dir eine fantastische Zeit. Wir hören uns beim nächsten Interview. Bis dann.
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