104.069 Insolvenzen verzeichnete Deutschland 2019. Hinter jedem Scheitern steckt ein persönliches Schicksal, dem sich das TEAM U annimmt. In kostenfreien Programmen, z. B. dem Restarter-Seminar, lernen die Betroffenen, über ihr Scheitern zu sprechen, es anzunehmen und Lösungswege zu finden.
TEAM U: Hilfsprogramme wandeln unternehmerisches Scheitern in Chancen (This content is only available in German.)
Attila von Unruh, Janine Gerold & Team
„Jeder, der gründet, ist vorher einmal auf die Nase gefallen.“ So begrüßt uns Janine Gerold vom TEAM U. #NeueGründerzeit Nordrhein-Westfalen spricht mit der Ehrenamtskoordinatorin über Krisen, Scheitern, Scham und Aufstehen. Gründer Attila von Unruh und Teilnehmende der TEAM U-Angebote ergänzen mit ihren Erfahrungen.
Hätte es im Leben von TEAM U-Gründer Attila von Unruh und seinem selbsternannten „Sparringspartner“ Bert Overlack keine Krisen gegeben, gäbe es das TEAM U heute nicht. Attila von Unruh wie auch Bert Overlack mussten sich eingestehen, als Unternehmer schon einmal gescheitert zu sein. Mögen die Gründe für das Scheitern auch unterschiedlich sein.
„Die Erfahrungen des Scheiterns sind Lernschritte zum Erfolg“, sagt Attila von Unruh heute rückblickend. Und ergänzt: „Scheitern ist Teil von jedem Entwicklungsprozess - es gilt, daraus zu lernen und die Erkenntnisse daraus zu nutzen, statt es als persönliches Versagen zu bewerten. Nur wenn wir uns trauen, etwas Neues auszuprobieren, können wir uns weiter entwickeln - manchmal braucht es mehrere Anläufe, bis man weiß, wie es geht.“
Statistisch drückt sich Scheitern so aus: 104.069 Insolvenzen verzeichnete Deutschland im Jahr 2019. Am häufigsten betroffen war die Logistik-Branche. Der finanzielle Schaden durch Unternehmensinsolvenzen betrug 2019 ca. 23,5 Mrd. Euro in Deutschland.* Für die selbsternannten „Krisenlotsen“ vom TEAM U sind es aber die persönlichen Schicksale jedes und jeder Einzelnen hinter den Zahlen, die Bedeutung haben.
„Scheitern ist Teil von jedem Entwicklungsprozess - es gilt, daraus zu lernen und die Erkenntnisse daraus zu nutzen, statt es als persönliches Versagen zu bewerten.“
Die Arbeit des TEAM U um Attila von Unruh setzt dann ein, wenn es ans Eingemachte geht: Es geht darum, Unternehmerinnen und Unternehmern „vor der Krise, in der Krise und nach der Krise“ zu helfen. In Deutschland fehle eine Kultur des Scheiterns, sagt Janine Gerold. Deshalb passiere es immer wieder, dass Menschen viel zu spät Hilfe suchen. Dies komme insbesondere bei etablierten Unternehmen vor – nämlich, wenn das sprichwörtliche Kind schon in den Brunnen gefallen sei. Im schlimmsten Fall, wenn eine Pfändung vollzogen wird und die Insolvenz droht. „Start-ups sind da offener.“, fügt Janine Gerold jedoch an.
Wer z. B. über Events, die Website oder die kostenlose Hotline Kontakt mit dem TEAM U aufnimmt, hat zuerst einmal einen kompetenten Fragensteller an der Leitung: Worum genau geht es? Wie kann dem Unternehmer oder der Unternehmerin am besten geholfen werden? Mit Rechtsbeistand? Mit einem Coaching? Mit Hinweisen auf gute Steuerberater oder Therapieangebote? „Wir schauen den ganzen Menschen an. Denn die Ursachen für Krisen und Scheitern haben oft auch etwas mit der Familiensituation zu tun, mit dem persönlichen Umfeld – oder sie beeinflussen es stark.“, weiß das TEAM U. Und Janine Gerold fügt an: „Wenn man in einer Krise ist, hört man nicht mehr auf die Meinung des Umfelds, z. B. der Familie.“ Hier setzt das TEAM U an.
Scham über das Scheitern überwinden
Ein besonderes Angebot des Teams sind kostenlose Hilfsprogramme, z. B. die Restarter-Seminare. Oberste Prämisse ist es, das Eis zu brechen und den Unternehmerinnen und Unternehmern zu helfen, ihre Scham über ihr (vermeintliches) Scheitern zu überwinden. Sie können offen über ihre Ängste und Lebenssituation berichten. Attila von Unruh und Bert Overlack gehen voran und erzählen aus ihrem Leben. Ist in einer Krise der erste Schock überwunden, gilt es, die eigene Situation anzunehmen. Nur so kann man durch Ehrlichkeit zu sich und anderen die Hilfe annehmen, die man dringend benötigt.
Diesen Punkt nimmt ein Teilnehmer eines Restarter-Seminars auf: „Besonders gut an dem Seminar war für mich die Praxisnähe und Glaubhaftigkeit der Moderatoren. Die allermeisten Unternehmer und Selbständigen werden nur für ihre Erfolge gefeiert. In den Krisen und beim Scheitern sind die Menschen dann zu allermeist alleine mit ihren Sorgen, Ängsten und den psychologischen und sozialen Folgen solcher Situationen. Ich finde es ganz stark, dass hier endlich mal die Menschen und ihre speziellen Bedürfnisse in einer solchen Situation in den Fokus gerückt werden und nicht „nur“ die versäumten Pflichten, die Schuld und das Geld.“
Die Teilnehmerin Susanne Schad ergänzt: „Der ganzheitliche Ansatz des Seminars war aus meiner Sicht sehr gut. Die finanziellen Aspekte sind ja lediglich ein Teil des ganzen Desasters, in dem man sich während einer solchen Krisenerfahrung befindet. Das Thema emotionale Verfassung während einer solchen Lebenskrise wurde sehr gut mit dem Thema der finanziellen Problematik in Verbindung gebracht. Mit dieser steht und fällt die eigene Handlungsfähigkeit. Dies wird in der Regel in der Beratung überhaupt nicht behandelt. Dabei ist es so wichtig auf dem Weg heraus aus der Krise. Ohne eine stabile psychische Verfassung kann ich keine klaren Entscheidungen treffen. Es war sehr hilfreich, sich hier unter „Gleichgesinnten“ auszutauschen.“
„Corona hat es geschafft, dass Menschen offener über Krisen sprechen."
Wir wollten wissen, ob, und wenn ja, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die Lebensgeschichten hat, die das TEAM U täglich hört. Dazu sagt Janine Gerold: „Corona hat es geschafft, dass Menschen offener über Krisen sprechen. Denn Corona bedeutet ein passives Scheitern, z. B. dadurch, dass von jetzt auf gleich Umsätze oder Finanzierungsmöglicheiten wegbrechen.“
Neben der weitgehend ehrenamtlichen bzw. durch Spenden finanzierten Arbeit als „Hilfslotsen“ durch persönliche Krisen in Deutschland, setzt sich das TEAM U auf EU-Ebene für Änderungen der Insolvenzgesetzgebung ein und stößt politische Prozesse an.
All das wäre jedoch nicht entstanden ohne Menschen, die an die Gründer des TEAM U geglaubt und sie unterstützt haben. Attila von Unruh konnte auf die Unterstützung von Ashoka Deutschland vertrauen. Ashoka sagt über sich selbst:
„Seit 40 Jahren unterstützen wir Menschen bei der Umsetzung von Ideen, die unser gesellschaftliches Miteinander neu denken. Wir finden und begleiten, verbinden und verändern. Gemeinsam bauen wir Netzwerke auf, die stark machen und Erfolg wahrscheinlicher.” Heute ist auch Attila von Unruh einer der fast 4.000 Ashoka-Fellows aus mehr als 90 Ländern – ein „Changemaker“ und „Sozialunternehmer“, der nun andere begleitet und lotst.
*https://de.statista.com/themen/140/insolvenz/ (aufgerufen am 21.11.2020)
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