#NeueGründerzeit-Podcast – ACCURE
Dr. Kai-Philipp Kairies
Und ich glaube, das ist auch das Schöne daran, selber zu gründen. Man lernt so unfassbar viel. In meinem Leben durfte ich ja einige Stationen und auch spannende Stationen schon machen, aber ich glaube, die Lernkurve war noch nie so steil wie in den letzten zwei Jahren.
Anna-Lena Kümpel
Hallo und herzlich willkommen zum #NeueGründerzeit-Podcast. Mein Name ist Anna-Lena Kümpel und ich spreche heute mit Dr. Kai-Philipp Kairies vom Aachener Start-up ACCURE. Kai, schön, dass du da bist. Erzähl uns doch ganz kurz zuerst mal, wer du bist und was ACCURE so tut.
Dr. Kai-Philipp Kairies
Hallo! Schön, hier zu sein. Mein Name ist Kai-Philipp Kairies. Ich habe mal Elektrotechnik studiert, an der RWTH, mich dann über zehn Jahre mit Batteriespeichern beschäftigt – für E-Mobilität und für erneuerbare Energien, habe eine Promotion gemacht und bin über Umwege dann plötzlich in einer Gründung gelandet. Unsere Firma gibt es jetzt seit gut zwei Jahren. Wir sind mittlerweile 70 Mitarbeiter:innen, haben Standorte in zwei Ländern und verwalten weltweit etwa eine halbe Million Batterie-Packs in E-Mobilitäts- oder erneuerbaren Energie-Anwendungen.
Anna-Lena Kümpel
Und jetzt erklär mir als Nicht-Ingenieurin mal ganz kurz: Was ist so sexy an Batterien, dass du dich im Studium und in der Promotion damit beschäftigen musstest? Warum dieses Thema?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Batterien sind wirklich das Kernelement unserer Mobilitäts- und Energiewende. Ohne Batterien werden wir keine saubere Mobilität bekommen, werden wir keine sichere, saubere Energieversorgung bekommen. Und tatsächlich hat diese Begeisterung für Batterien, die auch mich überrascht hat, als ich das erste Mal mit dem Thema Kontakt hatte, mich durch mein Elektrotechnik-Studium gerettet. Und ich glaube wirklich, dass Batterien eins der Felder sind, wo man heute als Ingenieur oder als Ingenieurin den größten Einfluss darauf hat, saubere Energie auf dieser Welt voranzubringen.
Anna-Lena Kümpel
Auf eurer Website steht Ihr macht Battery Analytics. Also was genau könnt ihr aus so einer Batterie eigentlich herauslesen und was macht ihr dann mit dem, was ihr gelesen habt?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Das Spannende zunächst ist ja, denke ich, diese Frage zu stellen: Was können wir aus einer Batterie herauslesen? Denn bisher wurde diese Frage nicht gestellt, obwohl es eine sehr gute Frage ist. Batterien, so wie viele Menschen sie bis jetzt sehen, sind eben in der Fernbedienung oder im Handy und man lädt sie halt auf. Und wenn sie kaputt gehen, dann tauscht man sie halt aus. Aber wenn wir uns Elektromobilität anschauen – 40 % des Wertes eines Elektroautos ist die Batterie. Das heißt, das sind riesige Werte, um die es plötzlich geht. Und wir sollten alles in unserer Macht stehende tun, um diese Batterie zu verstehen und um sie gut zu behandeln. Und was wir bei ACCURE machen, und das ist neu in dem Sinne, ist, wir sind eine Datenplattform, die die Batteriedaten, die während des Betriebs erzeugt werden – so was wie Strom, Spannung und Temperatur – aufnehmen, systematisch untersuchen und dadurch Analysen und Prognosen geben können über den Zustand der Batterie, die es bisher nicht gab. Und dadurch können wir beispielsweise die Lebensdauer von so einer Elektroauto-Batterie um 20 bis 30 % verlängern. Und wenn man sich das mal überlegt, was für Nachhaltigkeitsverbesserungen man dadurch erreichen kann – Circularity ist so ein bisschen das Stichwort – das ist gewaltig. Und ich glaube, deswegen passt diese Technologie auch gerade in die Zeit, in der wir sind. Es war irgendwie das richtige Thema zur richtigen Zeit.
Anna-Lena Kümpel
Du hast ja nicht alleine gegründet, sondern du hast zwei Mitgründer. Wie habt ihr euch als Team zusammengefunden und wie seid ihr in dieser Anfangsphase vorgegangen?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Also meine beiden Co-Gründer, Georg und Hanno, kannte ich beide seit über zehn Jahren, als wir zusammen gegründet haben. Mit Georg habe ich zusammen promoviert. Wir hatten diese Idee, dass man mit Batteriedaten einen Mehrwert schaffen kann, haben zu dritt ein MVP, ein Minimum Viable Product, entwickelt, getestet und tatsächlich auch bereits vor der Gründung die erste Zusage eines Kunden bekommen, dafür Geld zu bezahlen. Und dann haben wir gedacht, „okay wow, das klingt doch nach etwas, was erfolgreich sein kann!“, und haben dann in der Folge viele Kolleginnen und Kollegen aus dem wissenschaftlichen Batteriebereich, aber auch aus der Industrie, Menschen, mit denen wir studiert hatten, zu uns holen können. Und das sind am Ende die Gesichter des Unternehmens und die, die hier die Werte schaffen.
Anna-Lena Kümpel
Und jetzt erzähl mal ganz kurz: Was genau verkauft ihr an wen genau? Also was ist euer Service und wer sind eure Kunden?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Bei ACCURE bieten wir eine Datenplattform, die eben Batteriedaten auswertet hinsichtlich der Sicherheit, der Zuverlässigkeit und der Lebensdauer von Batterien. Unsere Kunden kommen überwiegend aus den Bereichen Mobility und Energy – Mobility sind dabei beispielsweise Automotive Companies, OEM, die eben Fahrzeuge verkaufen an Endkunden, aber beispielsweise auch Verkehrsbetriebe wie die BVG, die Berliner Verkehrsbetriebe, sind ein Kunde von uns, um die Sicherheit ihrer Elektrobusse zu verbessern. Auf der anderen Seite haben wir den Energy-Bereich, also überall da, wo Batterien genutzt werden, um erneuerbare Energien zu speichern. Und dort haben wir Kunden von Kleinspeicheranlagen wie beispielsweise Heimspeichersysteme, wo man im Privathaushalt eine Photovoltaikanlage und dann eine Batterie im Keller hat, bis hin zu riesengroßen Batteriekraftwerken, die beispielsweise einen Windpark bei der Netzintegration unterstützen.
Anna-Lena Kümpel
Wie ist denn das Gründerleben für dich? Wie fühlt es sich für dich an, dein eigener Chef zu sein?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Ach, dass ich mein eigener Chef bin, ist mir, glaube ich, die allermeiste Zeit nicht bewusst, sondern wir sind ein sehr fokussiertes Team. Wir haben ambitionierte Ziele, die wir aber auch sehr diszipliniert verfolgen. Und dass ich hier auch Gründer bin, spielt eigentlich keine Rolle. Ich habe klare Aufgaben hier im Unternehmen. Ich bin als CEO überwiegend für die Bereiche Sales, Marketing, Fundraising und alles andere verantwortlich. Und ich versuche, einen guten Job zu machen, mich selbst weiterzubilden und die Leute, die mit mir zusammenarbeiten, dazu zu befähigen, einen guten Job zu machen. Aber als Gründer oder als eigener Chef fühle ich mich tatsächlich gar nicht so häufig.
Anna-Lena Kümpel
Du hast jetzt ganz viele Aufgaben genannt, die nicht so richtig klassisch im Elektrotechnik-Studium vorkommen: Fundraising, Sales, Menschen führen. Wie hast du das gelernt? Warum kannst du das?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Man muss es Stück für Stück sich aneignen, viel mit Menschen sprechen, offen sein dafür, zu akzeptieren, dass man vielleicht manche Dinge gut kann, andere Dinge aber eben noch gar nicht. Und auch gerade im Fundraising-Prozess, als wir unsere Seed-Runde gemacht haben, da ist so viel schiefgegangen in den ersten Monaten, bis wir als Gründerteam dann einmal verstanden hatten, wie Venture Capital funktioniert.
Anna-Lena Kümpel
Wie funktioniert denn Venture Capital?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Ein Investor hat kein Interesse daran, in eine Firma zu investieren, die irgendwann extrem erfolgreich für 50 Millionen verkauft wird. In ihrem Businessmodell müssen es halt schon die 500 Millionen sein. Und deswegen investieren die ganzen VCs ja vor allem in Wachstumsmärkte, weil da hintenraus das Potenzial, einen gewaltigen Exit zu erreichen, einfach viel höher ist. Und ich glaube, wir hatten an der Stelle Glück, dass zufällig der Markt, den meine beiden Co-Gründer und ich so lieben, gleichzeitig einer der heißesten Wachstumsmärkte dieses Planeten ist für Venture Capital. Da haben wir dann ein bisschen Glück gehabt, vielleicht.
Anna-Lena Kümpel
Okay, ihr müsst also groß denken und seid in einem riesigen Wachstumsmarkt. Wie groß denkt ihr denn? Wohin träumt ihr euch? Wie entwickelt sich euer Markt und euer Business?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Also ich glaube fest daran, dass Batterien eine ganz wesentliche Rolle für unsere Mobilitäts- und Energiezukunft spielen werden. Und ich glaube auch fest daran, dass die Softwareplattform, dieses Produkt, was wir anbieten, ein No-Brainer ist. Die Werte, die wir dadurch schaffen können, die Verbesserungen, die wir erreichen können, die sind derart signifikant, dass ich der festen Überzeugung bin, dass über die nächsten zehn Jahre das in allen relevanten Marktbereichen sich durchsetzen wird. Und das heißt, da wir ein ambitioniertes Unternehmen sind und wirklich eine skalierbare Lösung gebaut haben: Unser Ziel ist es, jede Batterie auf diesem Planeten zu verbessern!
Anna-Lena Kümpel
Ihr wollt Batterien ja sicherer machen, also ihr versprecht mehr Sicherheit. Wie viel Verantwortung könnt ihr als junges Start-up denn dafür übernehmen überhaupt?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Batteriesicherheit ist ein superwichtiges Thema. Und die Frage – Wir als junges Unternehmen, so Emporkömmlinge, maßen sich jetzt an, einem großen Automotive zu sagen, wie sie ihre Sachen machen sollen – „Was soll das denn?” Ich glaube, wie wir uns dieser Frage nähern, ist, wir sagen na ja, wir sind Expert:innen in einem extrem engen Feld. Es gibt nicht viel, mit dem wir uns beschäftigen – nämlich Batterieanalyse – und zu allem anderen wollen wir auch gar nichts sagen. Aber im Feld der Batterieanalyse haben wir möglicherweise die höchste Talentdichte weltweit. Wenn du dir die großen Automotives beispielsweise anschaust, die haben auch alle Batterieanalyse-Abteilungen, aber da arbeiten vielleicht sieben oder acht Leute und ich habe 70. Das ist einmal so „woher nehmen wir das Selbstbewusstsein, überhaupt etwas zu sagen?” Und dann kommt aber natürlich die Businessfrage: „Ja, und wenn ihr falsch liegt, was ist denn dann?” Und tatsächlich bin ich sehr, sehr froh und stolz, dass wir Backing haben von Versicherungsfirmen.
Anna-Lena Kümpel
Ja, bisher klingt das ja alles so relativ locker, flockig, erfolgreich. Gab es denn Hürden, Fails? Was ist schiefgelaufen?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Ach, ganz viel. Also ich glaube, keine Gründung verläuft ohne größere Fuck-ups. Und ich glaube, die Kunst ist es wirklich, diese anzunehmen, seine Learnings zu machen und dann weiterzugehen. Meine beiden Co-Gründer und ich kommen alle aus dem Kampfsport und ich glaube, eine der Sachen, die du beim Kampfsport lernst, ist, wenn du auf den Boden knallst, stehst du auf und guckst, „bin ich fit genug zum Weiterkämpfen?“ Wenn nicht, ist das auch okay und dann kommst du halt das nächste Mal wieder. Ja, aber sich einfach nicht davon beeindrucken zu lassen, zu lernen, dass man nicht immer wieder überrascht wird und dann weiterzumachen.
Anna-Lena Kümpel
Ach, spannend – drei Gründer mit Beziehungen zum Kampfsport. Was nehmt ihr denn daraus mit? Welche Werte aus dem Kampfsport nimmst du mit in deine Gründung und welche braucht man denn als Gründer?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Es gibt ja ganz viele und auch sehr unterschiedliche Modelle darüber, was Erfolg ausmacht. Bezüglich des Kampfsports im Gründerteam – ich glaube, das Allerwichtigste ist Vertrauen. Vertrauen basiert auf Dingen wie Integrität, Zuverlässigkeit, offener Kommunikation. Und für mich kann ich das alles zusammenfassen als Vertrauen. Georg und Hanno kannte ich glücklicherweise lang genug schon, um ihnen wirklich vertrauen zu können. Ich weiß, das sind Menschen, die sind fähig. Ich weiß, das sind Menschen, die geben nicht auf. Und ich weiß, das sind Menschen, die aber auch offen mit ihren eigenen Schwächen umgehen können. Kampfsport hilft auch hier sehr. Wenn man resistent gegen Feedback ist, wird man nicht besser. Wenn man nicht besser wird, kriegt man eine ins Gesicht. Das heißt, es ist ganz natürlich, im Kampfsport sich coachen zu lassen, der Trainerin zuzuhören. Wenn sie sagt, „nimm die rechte Hand hoch, sonst fängst du dir eine!”, und du machst das nicht, dann bekommst du sofort Feedback im nächsten Kampf. Und ich glaube, das ist eine sehr gute Grundvoraussetzung, um in eine Gründung zu gehen.
Daneben braucht es natürlich noch ganz viel Weiteres: Fachkenntnis, Ambition, Empathie – im Umgang mit dem eigenen Team, im Umgang mit sich selbst auch. Aber ich glaube, diese Fähigkeit, etwas durchzuziehen und offen dafür zu sein, sich verbessern zu lassen, ist die Grundlage, auf der dann ganz viele andere Dinge gelernt werden können.
Anna-Lena Kümpel
Ihr habt ja Unterstützung bekommen. Ihr seid zum Beispiel bei Scale-up.NRW dabei. Wie helfen euch solche Programme? Was machen die mit euch als Team, mit eurer Gründung?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Ich glaube, da gibt es so verschiedene Kategorien an Unterstützung, die durch diese Programme reinkommen. Start-up Awards sind beispielsweise toll, um Brand Building zu machen. Und auch das Thema Mentoring ist, finde ich, superwichtig. Offen zu sein für Feedback, sich selbst, die Blind Spots, die man hat, einzugestehen, oder Menschen damit zu beauftragen, sie zu finden, um dann etwas dagegen zu tun, ist superwichtig. Ich glaube, nicht nur im Start-up, auch in jeder anderen Karriere wäre es hilfreich. Aber gerade im Start-up-Bereich gibt es, glaube ich, eine Kultur des Coachings und Mentorings, die da sehr hilfreich ist und die wir auch sehr gerne annehmen.
Anna-Lena Kümpel
Ihr seid ja in der ersten Runde von Scale-up.NRW dabei. Wie funktioniert das Programm? Wie ist es für euch? Was macht ihr da?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Also ich glaube, es ist einerseits eine Ehre für uns, in dieser ersten Auflage von dem Programm dabei zu sein, und zeigt eben auch, dass externe Gutachter, die sich in der Start-up-Welt deutlich besser auskennen oder viel mehr Erfahrung in der Start-up-Welt haben als beispielsweise wir Erstgründer, auch daran glauben. Das ist schon mal schön. Und darüber hinaus sind eben die Veranstaltungen, wo es über Matchmaking mit potenziellen Kunden, mit potenziellen Investoren geht, super hilfreich, auch um andere Gründer:innen kennenzulernen und sich auszutauschen. Ja, nehmen wir gerne mit.
Anna-Lena Kümpel
Unser Podcast heißt #NeueGründerzeit. Wie empfindest du denn die Gründerzeit, das Gründungsökosystem in NRW?
Dr. Kai-Philipp Kairies
Also ich glaube, das Gründer-Ökosystem, was wir in NRW und insbesondere auch in Aachen haben, hat sich massiv verbessert über die letzten Jahre. Wer gründen will, findet alle Ressourcen, die man sich wünschen kann. Es kann natürlich immer noch ein bisschen besser sein und es kann noch ein bisschen mehr Geld geben und es kann noch ein bisschen mehr Coaching geben. Aber am Ende des Tages wird man, glaube ich, als Gründer oder als Gründerin niemals erfolgreich sein, wenn man es nicht eigentlich auch ohne irgendwelche Hilfe machen würde, also dieses Feuer von innen, es gegen Widerstände zu machen, ist, glaube ich, eine Grundvoraussetzung. Es braucht einen Eigenantrieb und auch eine gewisse Schmerzresistenz. Ansonsten wird man vielleicht ganz böse überrascht, wenn man dann zwei Jahre hochgepäppelt wurde und dann ins kalte Wasser geworfen wird. Früher oder später wird das ja passieren, dass man mal was verkaufen muss. Und daher ist es, glaube ich, irgendwie ein Mittelding.
Anna-Lena Kümpel
Fantastisch, Kai. Vielen lieben Dank dir für deine Antworten und wir sind am Ende der heutigen Folge, des #NeueGründerzeit-Podcasts. Hör supergern in unsere anderen Interviews rein. Die findest du auf dem Podcast-Player deiner Wahl unter Neue Gründerzeit Nordrhein-Westfalen oder unter gründen.nrw. Wir hören uns in der nächsten Folge. Bis dann.
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