#GründenNRW-Podcast – Unigy
Hind Seiferth: Diese Erfahrung ist natürlich viel wert. Wenn man jetzt das Ganze erst heute aufbauen müsste, würde es viel, viel länger dauern.
Matthias Lohse: Wir nutzen halt innovative Ansätze wie Künstliche Intelligenz oder Machine Learning und das in Gesamtheitlichkeit aus diesem Dreiklang macht uns eigentlich quasi einzigartig im Markt.
Anna-Lena Kümpel: Hallo und herzlich willkommen zum #GründenNRW-Podcast. Schön, dass du dabei bist. Mein Name ist Anna-Lena Kümpel und ich spreche heute mit dem Essener Start-up Unigy. Das Start-up kommt aus dem großen Bereich der Energiewende und bei mir im Interview sind heute Hind Seiferth und Matthias Lohse. Hallo Hind, hallo Matthias. Bitte stellt euch doch ganz kurz einmal vor.
Hind Seiferth: Hallo, mein Name ist Hind Seiferth. Ich bin Mitgründerin der Unigy GmbH. Ich bin von Hause aus Diplomkauffrau, habe Marketing, Energiewirtschaft und Finanzwirtschaft studiert und arbeite schon seit 20 Jahren in der Energiewirtschaft.
Matthias Lohse: Ja mein Name ist Matthias Lohse. Ich bin ebenfalls einer der vier Mitbegründer der Firma Unigy GmbH. Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen studiert und war seit Berufstätigkeitsbeginn, sage ich mal, immer in der Energiewirtschaft tätig und bin jetzt quasi mit den Kollegen an der Unigy beteiligt.
Anna-Lena Kümpel: Energie habt ihr gerade beide gesagt, das ist unser großes Stichwort heute. Erklärt doch mal ganz kurz: „Was macht Unigy?“. So, dass Menschen, die nicht aus der Branche kommen, wie ich zum Beispiel, das auch verstehen.
Hind Seiferth: Die Unigy bietet Handels- und Optimierungsdienstleistungen für Stadtwerke und Regionalversorger. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, erneuerbare Energien in ihr Portfolio zu integrieren und diese auch zu vermarkten.
Anna-Lena Kümpel: Und wer genau sind eure Kunden?
Hind Seiferth: Unsere Kunden sind hauptsächlich Stadtwerke und Regionalversorger, größere Regionalversorger, mittelgroße Regionalversorger.
Anna-Lena Kümpel: Was bietet ihr diesen Kunden genau an? Also was genau ist euer Produkt?
Hind Seiferth: Wir sind sozusagen eine ausgelagerte Abteilung für ein Stadtwerk. Das heißt, unser Kunde übergibt uns halt das, was er an Erzeugung hat oder auch, was er an zusätzlicher Menge zum Beispiel braucht, im Strombereich. Wir gehen an die Börse und vermarkten die halt intelligent. Das heißt, wir haben auch dazwischen eine KI, die dann entsprechend den Vorgaben des Kunden auch dann diese Positionen handelt.
Anna-Lena Kümpel: Wenn ich das jetzt in meinen Worten zusammenfasse als: „Ihr kauft für die Stadtwerke Energie ein.“ Ist das richtig?
Matthias Lohse: Ganz früher war es so, dass es einen Stromversorger für den Endkunden gab und keiner hat selber Solarenergie eingespeist oder PV auf seinem Dach erzeugt. Und in der heutigen Zeit ist es wirklich so, dass dieses Angebot-/Nachfrageverhalten der Marktteilnehmer sehr bequem geworden ist, das heißt, immer sehr schwankend, und es ist sehr schwer abzuschätzen. Und mit unserer Marktdatenplattform ermöglichen wir unseren Kunden ein schnelles Reagieren auf diese Schwankungen.
Anna-Lena Kümpel: Wie haben die Stadtwerke das denn bisher ohne euch gemacht?
Matthias Lohse: Im Grunde genommen ist es so, dass viele Stadtwerke quasi noch gar nicht auf diesem Markt aktiv sind, wo wir jetzt im Moment aktiv sind. Das ist ein sehr kurzfristiger Bereich. In der Vergangenheit, teilweise ist es auch heute noch so, ist es so, dass sie quasi die Strommengen, die sie brauchen oder zu viel haben, also verkaufen müssen, einen Tag vorher erst vermarkten. Und der Strommarkt an sich als solches ist heute so kurzfristig, dass man das auch noch fünf Minuten vor Lieferung machen kann. Und wer Wetterprognosen kennt – „Wie wird das Wetter morgen?“ – das kann morgen schon wieder ganz anders aussehen. Und wir sind in der Lage, quasi diese kurzfristigen Schwankungen, die sich aus den Erneuerbaren [Energien] größtenteils ergeben, auch noch kurzfristig nachzuhandeln und so bessere Ergebnisse für den Kunden zu erzielen.
Anna-Lena Kümpel: Heißt, ihr dürft Strom für die Stadtwerke an der Börse handeln. Und ich habe vorhin noch was von einer KI gehört. Was macht die und mit welcher Art von Daten füttert ihr die?
Hind Seiferth: Also die KI ist ausgestattet mit einer Datenbank dahinter, das heißt, da sammeln wir sehr, sehr viele Daten, Wetterdaten beispielsweise, Wetterveränderungen; was kommt an Strom rein nach Deutschland, was wird exportiert aus Deutschland? Also wir sammeln über 7.000 Zeitreihen und diese Zeitreihen werden interpretiert. Das heißt, wenn wir sehen, die Prognosen verändern sich, es gibt weniger Wind, dann kann man ja davon ausgehen, die KI sieht ja auch durch die Auswertung all dieser Daten, dass eben eine Preisveränderung stattfinden wird, und den Trend erkennt eine KI und gibt das sozusagen dann an den Algo-Trader. Also damit stellen wir dann eben am Markt die Positionen glatt, entsprechend den Preiserwartungen.
Anna-Lena Kümpel: Kann das noch andere Unternehmen oder seid ihr die einzigen?
Matthias Lohse: Es gibt mehrere Marktteilnehmer am Markt, die ähnliche Ansätze fahren wie wir. Was uns natürlich unterscheidet, als USP sage ich jetzt mal, sind ganz grob gesagt drei Punkte. Wir machen eine gesamtheitliche Betrachtung für den Kunden. Wir gucken von long-term bis zu diesen ganz kurzfristigen Lieferzeitpunkten, dann sind wir halt unabhängig. Wir sind halt jetzt kein großer Wettbewerber, der in Konkurrenz zu den Stadtwerken selber steht. Und wir nutzen halt innovative Ansätze wie Künstliche Intelligenz oder Machine Learning und das in Gesamtheitlichkeit aus diesem Dreiklang macht uns eigentlich quasi einzigartig im Markt.
Anna-Lena Kümpel: Warum könnt ihr das überhaupt? Also mir würde das jetzt nicht einfach so einfallen. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
Hind Seiferth: Die Kollegen arbeiten schon seit über zehn Jahren im Stromhandel und letztendlich ist es natürlich auf Basis der ganzen Erfahrungen, die man da gesammelt hat. Das heißt, wir wissen, wie wichtig das ist, dass man die Daten sammelt, dass man die Daten interpretiert und dass das Ganze auch automatisiert stattfinden muss, der ganze Handel. Und diese Erfahrung ist natürlich viel wert. Wenn man das Ganze jetzt erst heute aufbauen müsste, würde es viel, viel länger dauern. Insofern ist das natürlich auch ein Vorteil gewesen, dass wir halt genau die Schnittstellen, genau die Prozesse aufbauen konnten und sehr schnell auch den Kunden zur Verfügung stellen konnten.
Anna-Lena Kümpel: Ihr seid ja ein relativ großes Gründungsteam, ihr seid vier Mitgründer:innen. Ihr kanntet euch vorher schon, habt vorher schon zusammengearbeitet und dann gesagt, wir machen da jetzt ein Unternehmen draus aus dieser Idee. Wie war der Weg, wie war der Anfang?
Hind Seiferth: Es hat jetzt ungefähr ein Jahr gedauert, bis wir dann quasi das umsetzen konnten. Ab dem Zeitpunkt, wo wir gesagt haben, wir machen uns doch selbstständig. Es ist natürlich ein relativ schwieriger Markt, reinzukommen. Also man muss natürlich die Zulassung an der Börse beantragen, man muss auch viele, viele Prozesse, regulatorische Prozesse durchlaufen. All das umzusetzen hat schon seine Zeit gebraucht und wir haben es jetzt geschafft, mussten natürlich auch gucken, dass wir die Finanzierung hinbekommen. Es war auch gar nicht so einfach, aber wir haben das jetzt erst mal alles sozusagen hinbekommen.
Anna-Lena Kümpel: Wie habt ihr denn die Finanzierung geregelt? Ich glaube, angefangen habt ihr mit dem Gründerstipendium NRW, oder?
Hind Seiferth: Richtig, wir haben ein Gründerstipendium bekommen und parallel dazu haben wir natürlich nach Investoren gesucht. Das war gar nicht so einfach, weil wir natürlich einen sehr speziellen Markt bedienen, eben die Stadtwerke und nicht irgendwie, wir haben keine App, die, fancy aussieht, Endkunden irgendwie anspricht. Und deswegen sind wir auch fündig geworden beim Thema Investoren, bei einem Stadtwerk. Also Regionalversorger, das ist die RhönEnergie Fulda. Die hat uns dann das nötige Kapital gegeben, hat uns auch das Vertrauen geschenkt. Und wir sind dann eben mit diesem Kapital gestartet, mit 2020.
Anna-Lena Kümpel: Wie kommt ihr denn konkret zu euren Kunden? Macht ihr große Cold-Call-Runden oder googeln die Chefs aller deutschen Stadtwerke nach Unigy?
Hind Seiferth: Unsere Kunden haben wir vor allem durch das Netzwerk, was wir so haben, bzw. auch durch Weiterempfehlung. Aber natürlich ist das ein B2B-Geschäft. Das heißt, wir müssen natürlich jetzt auch mehr tun im Bereich Marketing und Vertrieb. Wir planen einiges an Maßnahmen wie Kundenveranstaltungen, aber auch Webinare und solche Dinge. Also das ist alles in der Pipeline, wird auch jetzt mehr kommen, aber bisher war das aus dem Netzwerk.
Anna-Lena Kümpel: Wie groß ist denn der Markt in Deutschland und vielleicht auch in Europa und international? Also wollt ihr irgendwann vielleicht auch über Deutschland raus?
Matthias Lohse: Also im Moment konzentrieren wir uns auf den deutschen Energiemarkt und im Speziellen halt auf den Stadtwerke-Markt, weil Stadtwerke erstmal als solche, als Regionalversorger, bieten halt den großen Vorteil, dass sie alle notwendigen Grundvoraussetzungen haben, die man benötigt, damit man unsere Produkte nutzen kann. Die haben Zugang zum Absatz, also zum Verbrauch. Die haben Zugang zu den Flexibilitäten, weil die die meisten Anlagen eh haben, und die haben natürlich Zugang zu der Infrastruktur. Deswegen ist unser erster Fokus ganz klar auf dem deutschen Markt, auf dem Stadtwerke-Markt. Und Internationalisierung ist natürlich dann auch problemlos möglich, aber wir glauben jetzt dran, wenn wir jetzt erstmal den deutschen Markt sehr gut erschließen können, ist es problemlos möglich, das auf andere Länder auszuweiten.
Anna-Lena Kümpel: Ihr habt gerade schon von eurem strategischen Investor erzählt, von der RhönEnergie Fulda. Wie genau arbeitet ihr denn zusammen? Also mal abgesehen davon, dass ihr Geld von denen bekommen habt. Beraten die euch, bringen die Kunden mit? Wie läuft das?
Matthias Lohse: Das Schöne erstmal ist, dass der Investor quasi genauso an unsere Idee geglaubt hat und auch den Mehrwert gesehen hat, wie wir den als Gründer damals gesehen haben. Und im Grunde befruchten wir uns, sage ich mal, gegenseitig bei unterschiedlichsten Sachen. Das ist halt wie so ein Spielball, der mal von links nach rechts geht, teilweise auch. Aber was natürlich sehr super super interessant ist für uns und auch für die, sie können natürlich sehr neue innovative Produkte bei uns einfach reinschmeißen und wir gucken, wie können wir das einbringen.
Anna-Lena Kümpel: Lasst uns noch mal auf euer Geschäftsmodell eingehen. Wofür genau bezahlen euch die Stadtwerke? Schlagt ihr was auf den Börsenpreis drauf oder verkauft ihr zum Beispiel Softwarelizenzen für eure KI?
Hind Seiferth: Das sind zwei Bereiche, die wir abrechnen. Also einmal quasi, wenn wir Kostenersparnis für die generieren, das heißt, wenn wir die Kosten senken, weil wir günstig einkaufen, dann teilen wir uns sozusagen die Kostenersparnis. Das Gleiche gilt, wenn wir Mengen für sie gut vermarkten. Das heißt, da ist ja auch die Möglichkeit, dass man das besser als so ein Zielpreis zu vermarkten. Und da sind wir auch sozusagen beteiligt am Ergebnis.
Anna-Lena Kümpel: Ihr habt ja schon ein bisschen weg hinter euch als Gründungsteam. Welche Unterstützung habt ihr denn bekommen?
Hind Seiferth: Wir haben natürlich sehr viele Angebote genutzt, auch viele Veranstaltungen besucht, viele Beratungsgespräche geführt. Wir waren auch im Startercenter von der IHK beispielsweise und haben auch viele Gespräche geführt. Wir haben auch bei der NRW.BANK gute Beratungsgespräche bekommen für die Finanzierung. Insofern haben wir sehr, sehr viele Sachen genutzt und aus dem gingen auch sehr viele weitere Netzwerkpunkte hervor. Aber wir haben auch sehr viel Unterstützung aus diesen Beratungsgesprächen bekommen dann. Und auch aus dem Gründerstipendium hatten wir einen Coach, mit dem sind wir jetzt immer noch in Kontakt und er vermittelt uns immer noch weiter wichtige Dienstleister oder Partner, die wir brauchen für unser Geschäft.
Anna-Lena Kümpel: Ihr habt auch den Gründerpreis NRW 2022 gewonnen. Glückwunsch nochmal. Wie hat euch das denn geholfen?
Hind Seiferth: Der Gründerpreis war für uns sehr, sehr wichtig. Vor allem, weil wir natürlich so unsere Vision, unsere Idee weiter transportieren konnten. Und wir haben auch natürlich sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Wir haben auch sehr viele Kontakte bekommen. Das heißt, wir haben auch zum Beispiel über die Städte oder irgendwelche Referenten von Städten haben uns darauf angesprochen und gesagt: „Wollt ihr mit unserem Stadtwerk sprechen?“ Das hat uns sehr, sehr viel gebracht.
Anna-Lena Kümpel: Wie sieht euer Team mittlerweile aus und wie soll sich das Team in der Zukunft entwickeln?
Matthias Lohse: Im Grunde bestehen wir ja aus den vier Gründern, die sind immer noch alle dabei. Des Weiteren haben wir zwei Angestellte und im Januar wird das Team noch erweitert. Grundsätzlich, ganz grob gesagt, sind die nächsten Schritte sehr IT-lastig. Da sehen wir noch Potenzial, da müssen wir noch ausbauen, um die Plattform noch schöner, noch besser, noch effektiver zu machen. Dafür braucht man sehr viel Kapazität. Aber auch in den Standardbereichen werden wir wachsen. Wir brauchen halt auch Unterstützung bei anderen Tätigkeiten.
Anna-Lena Kümpel: Ihr seid ja gerade in ein neues Büro in Essen gezogen. Warum habt ihr euch für Essen entschieden? Und überhaupt, ihr seid ja in NRW gegründet. Warum habt ihr euch bewusst für NRW entschieden?
Matthias Lohse: Der einfachste Punkt erstmal ist natürlich, wir vier Gründer wohnen natürlich nicht alle in Essen, sondern sind so ein bisschen verstreut in NRW. Und Essen ist tatsächlich für alle gut erreichbar. Es ist jetzt keiner dabei, der jetzt irgendwie drei Stunden fahren muss. Was uns natürlich auch wichtig war, Essen ist halt die Energiehauptstadt Europas, wie man so schön sagt. Und das war natürlich auch ein sehr, sehr wichtiger Punkt zu sagen, wir gehen auch nach Essen. Jetzt mit dem neuen Gebäude sind wir sehr auch dicht an der Uni. Das ist auch noch ein wichtiger Punkt, weil wir da auch im Austausch sind mit Professoren für Werkstudenten, Tätigkeiten und so weiter. Also NRW stand jetzt für uns außer Frage. Es kam jetzt nicht in Frage zu sagen, wir wollen irgendwo anders hin, sondern das ist schon ein zentraler Punkt.
Anna-Lena Kümpel: Wir haben viele Hörer:innen, die selber Ideen haben und die die gerne umsetzen möchten. Welche Tipps habt ihr?
Hind Seiferth: Ich würde immer dazu raten, sich mit anderen zusammen zu tun. Also alleine ist es immer sehr, sehr schwer, weil man natürlich sehr, sehr viele unterschiedliche Themen bearbeiten muss. Und wenn man sich im Team befindet, ist es viel einfacher. Und auch die Schwerpunkte sind ja meistens sehr unterschiedlich. Wir sind bei uns im Team, wir haben Mathematiker, wir haben Ingenieure, wir haben Diplomkaufleute. Insofern konnten wir uns sehr sehr gut ergänzen. Also als Erstes würde ich echt immer dazu raten: Kann man mit dieser Idee auch im Team arbeiten? Und dann im nächsten Schritt zu gucken, was gibt es für Beratungsangebote, was gibt es für Möglichkeiten, um letztendlich zu starten? Das heißt nicht sofort sozusagen loslegen mit einer Idee, sondern tatsächlich noch mal ein bisschen konzeptionell zu überlegen, wie man das Ganze aufstellt, damit man nicht später alleine dann das nicht mehr schafft.
Anna-Lena Kümpel: Vielen Dank, Hind. Vielen Dank, Matthias. Das war die aktuelle Folge vom #GründenNRW-Podcast. Wenn du weitere Interviews mit Gründer:innen aus NRW hören möchtest, dann schau vorbei auf Gründen.NRW oder abonniere den Podcast in deiner Lieblings-Podcast-App. Vielen Dank, dass du bis jetzt dabei warst, und wir hören uns beim nächsten Interview. Bis dann.
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