Gründungen unter 18 – Ein Leitfaden

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Auszubildende,

ihr interessiert euch für das Thema Gründen und habt möglicherweise schon Gründungsideen entwickelt, seid aber noch nicht volljährig? Dann seid ihr hier richtig. Wir geben euch im Folgenden einen Überblick über die rechtliche Situation und die Stellen, die euch informieren und beraten.

 

Gesetzliche Regelung

Minderjährige Personen sind beschränkt geschäftsfähig. Wenn ihr euch selbstständig machen möchtet, benötigt ihr hierzu eine sogenannte Ermächtigung, d.h. die Erlaubnis der gesetzlichen Vertreter. Dies sind grundsätzlich die Eltern oder wenn diese nicht zur Vertretung berechtigt sind, der bestellte Vormund. Diese Ermächtigung muss wiederum vom Familiengericht genehmigt werden. Dies ist eine gesetzliche Vorgabe und in § 112 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt.

 

Ihr fragt euch, warum der Gesetzgeber dies so geregelt hat?

Personen zwischen 7 und 18 Jahren gelten in Deutschland als beschränkt geschäftsfähig. Minderjährige Person dürfen Verträge oder Geschäfte in der Regel nur im Rahmen des sogenannten Taschengeldparagraphen (§ 110 BGB) vornehmen. D.h. Arbeits- oder Mietverträge dürfen sie nicht abschließen, da das Taschengeld hierfür in der Regel nicht bestimmt ist. Wer jedoch ein Unternehmen leiten möchte, muss diese Möglichkeiten haben und benötigt als minderjährige Person die oben beschriebene Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bzw. der Eltern und des Familiengerichts. Durch die Einbindung des Familiengerichts sollen Minderjährige vor unangemessenen haftungsrechtlichen Folgen aus dem unternehmerischen Risiko geschützt werden, die sie aufgrund der typischerweise geringeren wirtschaftlicheren Erfahrung schlechter einschätzen und die sie aufgrund der meist geringeren Finanzmittel schnell überfordern können. Es geht nicht darum, gründungsinteressierte Jugendliche vom Gründen abzuhalten, sondern sie zu schützen. Bei den Familiengerichten sind die dort tätigen Rechtspflegerinnen und -pfleger für die Erteilung der Genehmigung zuständig.

 

Die Frage nach dem Geld

Für die Prüfung durch das Familiengericht wird im Normalfall eine Gebühr erhoben. Diese richtet sich nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen. Die Gebühr beträgt derzeit (Stand April 2021) 80,50 Euro zuzüglich weiterer eventuell noch entstehender Auslagen.

 

Ab welchem Alter könnt ihr gründen?

Der § 112 BGB spricht lediglich von „Minderjährigen”. Unter 7 Jahren sind Minderjährige geschäftsunfähig und können daher nicht gründen. Ab 7 Jahren wäre eine Gewerbeanmeldung zwar in der Theorie möglich, aber in der Praxis wird kein 7-jähriges Kind die nötige Reife besitzen, um selbstständig tätig zu sein. Das Familiengericht wird deshalb keine Zustimmung geben. Ab 14 Jahren ist in der Praxis frühestens von einer Zustimmung auszugehen. Wahrscheinlicher sind dagegen eher Existenzgründungen von 16- oder 17-Jährigen.

 

Welche Schritte erwarten euch auf dem Weg zur Gewerbeanmeldung?

1. Zunächst solltet ihr mit euren Eltern sprechen und euch ihre Zustimmung einholen. Dies kann formlos und im Gespräch passieren. Zudem raten wir zu einem Vorgespräch mit einem Startercenter NRW in eurer Nähe. Dort erhaltet ihr kompetente Beratung und Unterstützung zum weiteren Vorgehen.

 

2. Vorausgesetzt eure Eltern sind einverstanden, müsst ihr das Familiengericht kontaktieren, d.h. ihr stellt dort (oder eure Eltern für euch) einen Antrag, mit dem Wunsch als minderjährige Person selbstständig zu werden. Dieser Antrag muss von den Eltern unterschrieben werden. Im Falle eines geteilten Sorgerechts, muss eine Vollmacht des anderen Elternteils beigefügt werden. Nachfolgend findet ihr Informationen, die ein Antrag enthalten sollte:

Der formlose Antrag sollte folgende Angaben beinhalten:

  • Wer beantragt?: eigener Name, eigenes Geburtsdatum, Name der Eltern
  • Was wird beantragt?: Ihr beantragt die Genehmigung der Ermächtigung eurer Eltern zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts.
  • Worum geht es?: Beschreibt eure Geschäftsidee in wenigen Sätzen.
  • Ergänzende Informationen, dass ihr die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt, um euch im laufenden Geschäft wie ein Volljähriger zu verhalten und dass ihr euch auch entsprechend verhalten werdet.
  • eigene Unterschrift und Unterschrift der Eltern

Eurem Antrag legt ihr am besten folgende Unterlagen bei, da sie förderlich sein können. Diese Unterlagen werden häufig angefordert, sie sind aber keine festen Vorgaben. Denn die Prüfung hängt vom Einzelfall ab und unterliegt der Einschätzung der für euch zuständigen Rechtspflegerin oder dem Rechtspfleger am Familiengericht:

  • Eigene Geburtsurkunde
  • Nachweis der Vertretungsmacht (z.B. gemeinsame Sorgerechtserklärung vor dem Jugendamt, bei einem Vormund ein entsprechender Nachweis)
  • Nachweise bezüglich der erforderlichen Reife z.B. durch Schulzeugnisse, Einschätzung der Lehrkräfte und Ausbilderinnen bzw. Ausbilder (zumindest Name der Schule und der Lehrkraft oder Ansprechperson, damit schriftliche Anhörungen durch das Gericht erfolgen können).
  • Nachweise über unternehmerisches Wissen: Ihr könnt dem Familiengericht zeigen, dass ihr über grundlegende kaufmännische Kenntnisse verfügt, indem ihr euch mit dem Thema Selbständigkeit auseinandersetzt und ein Existenzgründungsseminar besucht. In ganz NRW bieten über 70 Startercenter NRW Gründungsinformationen, individuelle Beratung und vielseitige Schulungsangebote. Träger der Startercenter sind Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern oder kommunale Wirtschaftsförderungen. Eine Übersichtskarte mit Standorten und Ansprechpersonen findet ihr auf www.startercenter.nrw. Dort könnt ihr zum Beispiel Informationsmaterial zur Existenzgründung bekommen. Außerdem findet ihr viele Veranstaltungen und Seminare speziell für Gründerinnen und Gründer.
  • Liegt ein Businessplan vor, könnt ihr diesen gerne vorlegen. Damit könnt ihr dem Gericht aufzeigen, dass ihr euer Unternehmen und kaufmännische Zusammenhänge versteht und euch auch mit möglichen Risiken auseinandergesetzt habt. In den Startercentern NRW erhaltet ihr auch dazu Informationen. Wenn ihr mit der Ausarbeitung eures Businessplans weiter fortgeschritten seid, könnt ihr einen Beratungstermin vereinbaren. Eine Gründungsberaterin oder ein Gründungsberater bespricht dann anhand eures Plans die Umsetzbarkeit und Tragfähigkeit des Vorhabens und zeigt mögliche Risiken auf.

Wichtig zu wissen: Rechtspflegerinnen und -pfleger an den Familiengerichten sind an die Hinweise, die wir in diesem Leitfaden geben, in keiner Weise gebunden. Rechtspflegerinnen und -pfleger sind gemäß § 9 Rechtspflegergesetz sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden. Sie entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Interesse des Kindeswohls. Sie können dementsprechend weitere bzw. andere Unterlagen als die hier aufgeführten anfordern.

 

3. Im Anschluss prüft das Familiengericht sorgfältig, ob ihr in der Lage seid, die volle Verantwortung für die auf euch wartenden Rechtsgeschäfte und Entscheidungen zu übernehmen. Hierzu erfolgt eine Anhörung, zu der ihr und eure Eltern eingeladen werdet. Jede Anhörung verläuft unterschiedlich, da sie von der/dem für euch zuständigen Rechtspflegerin bzw. Rechtspfleger abhängig ist. In die Prüfung des Familiengerichts fließt ein, ob die notwendige Reife und die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten der/des Jugendlichen vorliegen und somit sie/er die volle rechtliche Verantwortung tragen kann. Im Gespräch soll auch ausgeschlossen werden, dass Eltern ihr Kind als Geschäftsinhaberin oder -inhaber vorschieben, weil sie selbst möglichen Haftungsrisiken entgehen wollen oder selbst kein Gewerbe eröffnen dürfen. Zudem soll so sichergestellt werden, dass die Eltern auch tatsächlich mit dem Vorhaben einverstanden sind.

Einbindung der Industrie- und Handelskammern:
Das Familiengericht kann zudem die Industrie- und Handelskammern anfragen. Deren Stellungnahme erfolgt im Rahmen der allgemeinen Amts- und Rechtshilfe. Hierbei handelt es sich um eine amtliche Auskunft, die als Beweis vom Gericht herangezogen werden kann. Die Gerichte können sich damit an objektive Gutachter wenden, die über Spezialkenntnisse und berufliche Erfahrungen verfügen.

 

4. Wenn ihr die Fragen des Familiengerichts glaubhaft beantworten könnt und die Genehmigung durch das Familiengericht habt, kann es losgehen Ab diesem Zeitpunkt dürft ihr:

  • euer Gewerbe anmelden,
  • Verträge (z.B. Arbeits- und Mietverträge) abschließen, die der Betrieb eures Geschäfts mit sich bringt und
  • euch um die Themen Steuern, Gewerbeerlaubnis etc. kümmern.

Ihr tragt dabei die volle rechtliche Verantwortung und könnt euch nicht mehr darauf berufen, dass ihr minderjährig seid.

Ausgenommen sind z.B.:

  • Kreditaufnahmen,
  • Immobilienkäufe,
  • Erteilung von Prokura

Bedenkt auch, dass die Zustimmung des Gerichts nur für das Gewerbe gilt, für das ihr die Zustimmung erhalten habt. Wenn ihr weitere Gründungen plant, müsst ihr das Verfahren wiederholen.