
v.l.n.r.: Dr. Kai-Philipp Kairies, Dr. Georg Angenendt, Dr. Johannes Palmer, © ACCURE Battery Intelligence GmbH
Interview mit Dr. Kai-Philipp Kairies, Dr. Georg Angenendt und Dr. Johannes Palmer von ACCURE Battery Intelligence GmbH
ACCURE Battery Intelligence GmbH ist ein Software Start-up, das sich auf die intelligente Analyse und Überwachung von Batteriesystemen spezialisiert hat. Die cloudbasierte Plattform erfasst und analysiert Batteriedaten nahezu in Echtzeit – beispielsweise aus Elektrofahrzeugen oder stationären Energiespeichern. Durch präzise Analysen trägt das Start-up dazu bei, die Lebensdauer von Batterien zu verlängern, ihre Sicherheit zu verbessern und den nachhaltigen sowie effizienten Einsatz von Energiespeichern zu fördern. Mit datenbasierten Erkenntnissen unterstützt ACCURE den globalen Übergang zu einer sauberen Energie- und Mobilitätszukunft.
Idee und Motivation
Was hat euch inspiriert, eine Software zur Analyse von Batterien zu entwickeln?
Dr. Kai-Philipp Kairies: Während unserer Promotion an der RWTH Aachen haben wir aus erster Hand gesehen, dass Batterien eine Schlüsselrolle in der Energiewende spielen. Doch es fehlt derzeit noch an Transparenz über den Gesundheitszustand, die Sicherheit und den optimalen Einsatz dieser Batteriesysteme. Dabei produziert jede Batterie große Datenmengen, die weitgehend ungenutzt bleiben. Diese Daten nutzbar zu machen und daraus den Zustand der Batterie abzuleiten, war die Herausforderung, die wir mit ACCURE lösen wollten.
Warum habt ihr euch entschieden, ACCURE in NRW zu gründen, und welche Vorteile bietet der Standort für euch?
Dr. Georg Angenendt: NRW ist als Standort für Technologie-Start-ups sehr attraktiv. Vor allem die Nähe zu renommierten Hochschulen und Forschungsinstituten wie der RWTH Aachen bietet ein exzellentes Umfeld für Innovationsprojekte. Zudem sind viele potenzielle Kunden, Partner und auch Förderprogramme in der Region ansässig, was den Aufbau unseres Netzwerks erleichtert hat. NRW hat sich in den letzten Jahren auch stark auf Zukunftstechnologien im Bereich Energie und Mobilität fokussiert, was uns zusätzliche Unterstützung und Sichtbarkeit bringt.
Technologie und Innovation
Auf welcher Technologie basiert eure Batteriediagnose-Software, und was unterscheidet euren Ansatz von anderen Lösungen auf dem Markt?
Dr. Kai-Philipp Kairies: Unsere Software kombiniert Methoden aus Datenwissenschaft, maschinellem Lernen und elektrochemischen Modellen, um präzise Vorhersagen zum Batteriezustand zu treffen. Ein wichtiger Unterschied zu anderen Lösungen ist, dass wir herstellerunabhängig arbeiten und zur Parametrierung keine langwierigen Batterietests im Labor benötigen. Die ACCURE Battery Intelligence Plattform macht anhand vorhandener Betriebsdaten Batterien im laufenden Betrieb transparent und trifft kontinuierlich Vorhersagen. Dadurch können unter anderem sicherheitskritische Anomalien frühzeitig erkannt und Zwischenfälle verhindert werden. Hierfür nutzen wir ausschließlich bereits bestehende Datenströme aus dem Batterie-Management-Systemen (BMS), das in jeder modernen Batterie verbaut ist. So ermöglichen wir sehr genaue und individuelle Empfehlungen zur Betriebsstrategie, Wartung oder auch zur Wiederverwendung der Batterie.
Welche Herausforderungen habt ihr bei der Entwicklung der Analysesoftware bewältigt?
Dr. Georg Angenendt: Die größte Herausforderung war zunächst der Umgang mit den sehr heterogenen Datenformaten und den stets lücken- und fehlerhaften Batteriedaten. Wir mussten ein System entwickeln, das robust genug ist, um Millionen von Datenströmen aus verschiedenen Quellen vollkommen automatisiert und robust zu verarbeiten. Gleichzeitig haben wir vollständig neue Analyseverfahren entwickelt, um den speziellen Anforderungen unserer Kunden gerecht zu werden. So waren wir beispielsweise die weltweit erste digitale Lösung, die den Sicherheitszustand einer Batterie präzise vorhersagen kann und damit Brände und Explosionen verhindern kann.
Welche Umweltziele erfüllt eure Lösung?
Dr. Georg Angenendt: Unsere Lösung reduziert den ökologischen Fußabdruck von Batteriesystemen signifikant und steigert damit die Ressourceneffizienz. Konkret verlängern wir die Lebensdauer von Batterien und erhöhen deren Zuverlässigkeit, wodurch weniger frühzeitiger Ersatz nötig ist. Indem wir den Batteriebetrieb optimieren, lassen sich zudem hohe CO₂-Emissionen vermeiden – beispielsweise, wenn Elektrofahrzeug-Flotten effizienter geladen und entladen werden. Außerdem unterstützen wir Second-Life-Konzepte, bei denen gebrauchte Batterien in anderen Anwendungen wiederverwendet werden können, bevor sie ins Recycling gehen.
Gründung und Aufbau
Wie verlief euer Weg von der Idee zur Gründung?
Dr. Kai-Philipp Kairies: Die Idee entstand ursprünglich durch unsere Arbeit am Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik bei Professor Dirk Uwe Sauer, wo wir uns intensiv mit Batterietechnologien und Datenanalyse beschäftigten. Uns wurde schnell klar, dass die stark wachsende Verbreitung von Batteriesystemen auch den Bedarf an ganzheitlichen Softwarelösungen erhöhen wird. Nach ersten erfolgreichen Pilotprojekten haben wir uns entschieden, die Technologie zu kommerzialisieren und ACCURE Battery Intelligence zu gründen. Mithilfe eines starken Netzwerks aus Experten, Förderprogrammen und Investoren konnten wir das Konzept schnell validieren und die Firma aufbauen.
Gab es schwierige Momente, und wie habt ihr diese gemeistert?
Dr. Johannes Palmer: Natürlich gab es immer wieder Herausforderungen – vor allem bei der Entwicklung und Skalierung unserer Plattform. Ein Schlüsselfaktor war, dass wir uns frühzeitig ein kompetentes Team aufgebaut haben, das unterschiedliche Kompetenzen vereint. So konnten wir technische Hürden wie Datenintegration und Modellvalidierung gemeinsam lösen. Zudem haben wir stets eng mit Pilotkunden zusammengearbeitet, um Feedback zu erhalten und unsere Software an den realen Bedarf anzupassen.
Wie habt ihr die Finanzierung organisiert, und welche Unterstützung habt ihr erhalten?
Dr. Johannes Palmer: Die Gründung haben wir durch Teilnahme an mehreren Entrepreneuership Programmen der RWTH und dem EXIST-Gründungsstipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorbereitet. Kurz nach Gründung konnten wir dann bei zwei führenden Deutschen Venture Capital Firmen eine Seed Runde einwerben, um unser Wachstum zu finanzieren. Darüber hinaus haben wir am Scale-up NRW Programm teilgenommen, das uns wertvolle Unterstützung bei der Skalierung unseres Unternehmens geboten hat. Insgesamt haben wir in vier Finanzierungsrunden mehr als 35 Millionen Euro von Investoren aus Deutschland, den USA und UK eingesammelt, zuletzt eine von Incharge Capital angeführte B Runde von 16 Millionen Euro.
Erfolge und Zukunft
Auf welchen Erfolg seid ihr besonders stolz?
Dr. Kai-Philipp Kairies: Besonders stolz sind wir darauf, dass unsere Lösung sich weltweit und in ganz unterschiedlichen Branchen als Marktstandard etabliert hat - von E-Bus-Flotten bis hin zu großen stationären Speichern. In den zwei wichtigsten Märkten für Großspeicher der westlichen Welt – Texas und United Kingdom – nutzen bereits mehr als 20 Prozent aller Anlagen ACCUREs Plattform. Auch die Anerkennung unserer Lösung als risikomindernde Maßnahme durch Versicherungen wie HDI Global macht uns sehr glücklich und motiviert uns, weiterzumachen.
Welche Ziele habt ihr für die nächsten Jahre?
Dr. Kai-Philipp Kairies: Besonders stolz sind wir darauf, dass unsere Lösung sich weltweit und in ganz unterschiedlichen Branchen als Marktstandard etabliert hat - von E-Bus-Flotten bis hin zu großen stationären Speichern. In den zwei wichtigsten Märkten für Großspeicher der westlichen Welt – Texas und United Kingdom – nutzen bereits mehr als 20 Prozent aller Anlagen ACCUREs Plattform. Auch die Anerkennung unserer Lösung durch Versicherungen wie HDI Global macht uns sehr glücklich und motiviert uns, weiterzumachen.
Welche Ziele habt ihr für ACCURE in den kommenden Jahren, und wie möchtet ihr euer Produkt weiterentwickeln?
Dr. Kai-Philipp Kairies: Nachdem wir bereits 2022 die ACCURE Inc in den USA gegründet haben, werden wir uns dieses Jahr international noch stärker aufstellen und in weitere Märkte expandieren, so zum Beispiel in Australien, Japan und Südamerika. Gleichzeitig werden wir unsere Battery Intelligence Plattform deutlich erweitern, um unseren Kunden eine ganzheitliche Lösung für alle technischen Aspekte des Batterielebenszyklus anzubieten – von der Planung über den Betrieb bis zum Second Life und Recycling.
Welche Trends und Entwicklungen seht ihr aktuell in der Energiebranche, insbesondere im Bereich Batterietechnologie und -management?
Dr. Georg Angenendt: Batteriespeicher haben sich in den vergangenen Jahren zur dynamischsten Energietechnologie überhaupt entwickelt. Insbesondere die kontinuierliche Senkung der Produktionskosten schafft vielfältige neue Einsatzmöglichkeiten – sowohl im Energiesektor als auch in der Elektromobilität. Gleichzeitig geht das exponentielle Marktwachstum jedoch mit zahlreichen Herausforderungen einher. Die rasch wachsende Vielfalt an Zelltechnologien und Herstellern sowie medienwirksame Zwischenfälle – beispielsweise der Großbrand in Moss Landing oder die weltweiten Rückrufe von hunderttausenden Elektrofahrzeugen wegen Batteriebränden – verdeutlichen den dringenden Bedarf an skalierbaren Lösungen für Qualitätskontrolle, Garantiemanagement und Sicherheit. Aus unserer Sicht ist Software der effektivste Weg, um diesen Anforderungen effizient zu begegnen und ein nachhaltiges, sicheres Wachstum der Batterietechnologie zu gewährleisten.
Tipps für Gründerinnen und Gründer
Was war die wichtigste Lektion, die ihr als Gründer gelernt habt?
Dr. Johannes Palmer: Fokus schlägt alles. Auch wenn es gut ist, eine große Vision für das eigene Unternehmen zu haben, sollte der erste Schritt überschaubar sein, um die eigenen Kräfte auf ein möglichst kleines Ziel konzentrieren. Amazon hat als Buchhändler angefangen.
Welche Tipps habt ihr für andere, die im Bereich Batterietechnologie oder Umwelttechnologie gründen möchten?
Dr. Kai-Philipp Kairies: Eine der größten Herausforderung für Gründungen aus dem technisch-wissenschaftlichen Bereich ist das Finden eines skalierbaren Product-Market-Fit. Gründungen sollten sich zunächst intensiv mit bestehenden Problemen im Markt beschäftigen und erst danach unterschiedliche Lösungsansätze evaluieren. In der Realität ist es jedoch häufig so, dass Gründungen darauf abzielen, eine bereits entwickelte Technologie zu kommerzialisieren. Dabei werden Kundenbedürfnisse oft falsch eingeschätzt - frei nach dem Motto, „wenn man einen neuen Hammer hat, sieht jedes Problem aus wie ein Nagel“. Solche Gründungen scheitern praktisch immer, da ein nachhaltiger Markterfolg nur über einen realen Kundennutzen möglich ist. Gespräche mit erfahrenen Venture Capital Firmen können Schwachstellen im eigenen Business Plan offenlegen und idealerweise Alternativen aufzeigen.
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