v.l.n.r.: Jasper Helle, Dr.-Ing. Benedikt Hofmeister, Dr.-Ing. Nils Surkamp, Felix Behlau
Interview mit Jasper Helle von PicoShape
PicoShape ist ein EXIST-Forschungstransfer-Projekt der Ruhr-Universität Bochum zur Entwicklung der nächsten Generation des Mikro-3D-Drucks auf Basis der Zwei-Photonen-Polymerisation (2PP). Die Technologie ermöglicht den 3D-Druck extrem kleiner, präziser Strukturen, die in Hochtechnologie-Anwendungen – etwa in Chips odermedizinischen Geräten– eingesetzt werden können.
Idee und Motivation
Was hat euch inspiriert, eine Technologie zur Herstellung von Mikro-3D-Druckern zu entwickeln und was kann man darunter verstehen?
Jasper Helle: Nils und Felix haben beide, zuerst unabhängig voneinander, in diesem Bereich geforscht und promoviert. Nils im Bereich der dazu verwendeten Laser, Felix mit der Technologie an sich. Durch eine Kooperation der Lehrstühle für Laseranwendungstechnik sowie Photonik und Terahertztechnologie der RUB haben sie dann begonnen, das miteinander zu kombinieren. Nachdem erste Versuche zum Einsatz von Diodenlasern vielversprechend waren, ging es mit einem Forschungsprojekt zur Validierung (VIP+-Förderprojekt) weiter. Auch hier waren die erzielten Ergebnisse sehr gut. Eine Ausgründung über den exist Forschungstransfer war dann der nächste logische Schritt.
Unsere Technologie funktioniert so: Wir geben ein lichtempfindliches, flüssiges Harz auf eine Glasscheibe. Dann richten wir einen Laser auf einen winzigen Punkt in diesem Harz – nur etwa 150 mal 200 Nanometer groß. An dieser Stelle ist die Lichtenergie so hoch, dass das Material aushärtet.
Indem wir diesen Punkt gezielt bewegen, entsteht schichtweise die gewünschte 3D-Struktur. Je nach verwendetem Material können die gedruckten Strukturen biologisch abbaubar, leitfähig oder sogar mit Wirkstoffen angereichert sein.
Warum habt ihr euch entschieden, Picoshape in NRW zu gründen? Welche Vorteile bietet euch der Standort – z. B. in Bezug auf Netzwerk, Förderung oder Märkte?
Jasper Helle: Also, zuerst einmal ist es so, dass wir alle hier geboren sind und hier studiert bzw. gelernt haben. Für uns war aber auch immer klar, dass wir an diesem Standort bleiben wollen.
In NRW und vor allem im Ruhrpott leben die unterschiedlichsten Menschen, die hervorragend ausgebildet sind, verschiedene Perspektiven mitbringen und diese auch einbringen. Das ist etwas, das wir sehr schätzen. Darüber hinaus zeichnet sich die Region durch eine Vielzahl hervorragender Universitäten, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen aus. Die Kombination dieser beiden Faktoren bildet ein sehr gutes Fundament für eine Gründung.
Hinzu kommt, dass sich in NRW und an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in den letzten Jahren auch ein besonderer Gründergeist entwickelt hat. Es gibt viele Leuchttürme, an denen wir uns als kleines Start-up orientieren und von denen wir uns inspirieren lassen können. Für uns gilt ganz konkret, dass wir an der RUB bestens unterstützt werden. Besonders die Expertise zu den Themen Laser und 2PP-Technologie, gepaart mit dem Know-how zu wissenschaftlichen Ausgründungen, bietet für uns die ideale Ausgangslage.
Wir schätzen die Mentalität dieses Standorts: Hier zählen Taten mehr als Worte – etwas, an dem auch wir uns orientieren wollen. Wir bekennen uns zu Bochum und NRW und möchten unseren Beitrag leisten, um diesen positiven Aufbruch weiter voranzubringen.
Technologie und Innovation
Auf welcher technologischen Grundlage basiert die Herstellung eurer Mikro-3D-Drucker und was unterscheidet euren Ansatz von bestehenden Lösungen am Markt?
Jasper Helle: Unser Ansatz basiert auf einer neuartigen Laserquelle, die rund 150-mal kleiner und deutlich günstiger ist als die Laser, die bisher in der 2PP-Technologie verwendet werden. Dadurch können wir den Funktionsumfang dieser Technologie deutlich erweitern.
Durch die kompakte Bauweise lassen sich mehrere Laser in einem Drucker verbauen. So steigern wir den Durchsatz um ein Vielfaches und machen die Technologie gleichzeitig fit für den industriellen Einsatz. Das ist unser klarer USP. Der Prozess ist bereits zum Patent angemeldet, und wir sind Experten genau auf diesem Gebiet. Außerdem wollen wir uns mit einer nutzerfreundlichen Open-Source-Software abheben. Das Drucken komplexer 3D-Strukturen soll nicht mit langen Optimierungsphasen und unzähligen Testläufen verbunden sein. Unsere Software bietet intelligente Funktionen, die den Druckprozess einfacher, schneller und effizienter machen.
Wer sich zunächst selbst überzeugen möchte, kann von uns Teststrukturen erhalten – so zeigen wir, was unsere Technologie leisten kann.
Mit welchen technischen Herausforderungen wart ihr bei der Entwicklung konfrontiert – und wie habt ihr sie gelöst?
Jasper Helle: Während der Entwicklung stoßen wir täglich auf neue Herausforderungen. Durch unsere breit gefächerte Expertise können wir verschiedene Lösungswege schon in der ersten Diskussion durchdenken und so schnell optimale Ansätze finden. Ein Beispiel dafür ist die Übertragung unseres Laboraufbaus - mit großen, spezialisierten Geräten - in ein kompaktes, marktfähiges System, das sich kommerziell nutzen lässt.
Gründung und Aufbau
Wie verlief euer Weg von der Idee zur Gründung?
Jasper Helle: Die Idee, auf Basis unserer Forschung eine Ausgründung zu starten, entstand direkt nach den ersten erfolgreichen Experimenten. Es war jedoch klar, dass für eine erfolgreiche Ausgründung einiges an Entwicklungsarbeit notwendig war.
Als im Verlauf der Forschungsarbeiten immer deutlicher wurde, welches Potenzial in dieser Innovation steckt, kam der Hinweis, die Idee weiterzuverfolgen, immer häufiger auch von außen. Das VIP+-Validierungsprojekt war schließlich der letzte Anstoß, den Nils und Felix gebraucht haben. Daraufhin machten sie sich auf die Suche – und fanden letztendlich Benedikt und mich. Gemeinsam haben wir dann den Antrag für das exist Forschungstransfer Stipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geschrieben und die Arbeit im April dieses Jahres aufgenommen. Wir planen die Gründung der GmbH aktuell und gehen davon aus, dass der Prozess spätestens im zweiten Quartal 2026 beendet ist.
Gab es schwierige Momente, und wie habt ihr diese gemeistert?
Jasper Helle: Naja, so eine Entwicklung läuft nie nur gut und es geht nicht immer nur nach vorne. Es gibt auch einfach lange Tage, an denen nichts so läuft, wie man es gerne hätte, an denen man denkt, man kommt nicht voran. Unsere nun auch langjährige Erfahrung hat uns aber auch gezeigt, dass es sich lohnt, dranzubleiben. Bisher konnten wir so eigentlich jedes Problem meistern. Wir sind zuversichtlich, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.
Wie habt ihr eure Finanzierung aufgestellt? Gab es Unterstützung durch Förderprogramme?
Jasper Helle: Aktuell werden wir vier durch exist Forschungstransfer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Im Rahmen des Programms werden sowohl unsere vier Vollzeitstellen als auch Sachmittel finanziert. Die Fördersumme beträgt rund 1,1 Millionen Euro und läuft bis April 2027. Danach gibt es für uns mehrere Optionen: Da wir ein Hardware-Deeptech-Start-up sind, ist klar, dass wir langfristig zusätzliches externes Kapital benötigen.
Wir führen bereits erste Gespräche mit Venture-Capital-Gebern (VCs), anderen relevanten Investorinnen und Investoren sowie mit Banken – und sind zuversichtlich, dass unser Vorhaben genug finanzielle Attraktivität bietet, um eine weitere Finanzierung sicherzustellen. Dieses positive Bild deckt sich auch mit dem Feedback, das wir von außen erhalten.
Erfolge und Zukunft
Auf welchen Erfolg seid ihr besonders stolz?
Jasper Helle: Unser bisher größter Erfolg liegt wohl in der exist Förderung, die wir erhalten haben. Sie bildet für uns die Grundlage für alles Weitere, was wir nun umsetzen dürfen.
Der zweite Erfolg ist definitiv unsere Teamfindung. Natürlich sind wir in vielen Punkten noch am Anfang unserer Reise, wir sind aber sehr zufrieden mit unserer internen Arbeit und dem Teamspirit. Von außen wird uns immer wieder bestätigt, dass genau dieser Zusammenhalt einer der wichtigsten Faktoren für langfristigen Erfolg ist – und da sind wir sehr zuversichtlich. Neben diesen beiden Aspekten konnten wir aber auch beachtliche technische Erfolge feiern. Zum einen ist uns ein riesiger Schritt in der Prozessgeschwindigkeit gelungen: Wir konnten den Ablauf im Vergleich zum Jahresbeginn um den Faktor 100 verbessern und sind damit deutlich früher als erwartet auf dem technischen Niveau etablierter Akteure. Das hat uns selbst überrascht – und natürlich sehr gefreut.
Auch die Software entwickelt sich deutlich schneller als geplant. Wir haben viel gelernt und genau identifizieren können, wo die aktuellen Herausforderungen liegen. Zwar befindet sich unsere Software noch in der Alpha-Version, wird aber bereits extern getestet. Diese beiden technischen Fortschritte haben unsere Erwartungen klar übertroffen – und darauf sind wir schon ein bisschen stolz.
Wo seht ihr PicoShape in den nächsten drei bis fünf Jahren? Welche Weiterentwicklungen plant ihr?
Jasper Helle: Für uns ist ganz klar, dass wir unseren Drucker zur Serienreife weiterentwickeln werden. PicoShape soll ein Deep-Tech-Unternehmen in Bochum werden, das auch über die Region hinaus bekannt ist. Wir wollen Durchbrüche und Fortschritt sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie ermöglichen und Menschen befähigen, mit unserer Technologie relevante Probleme zu lösen. In dieser Technologie steckt so viel Potenzial und sie ist so vielfältig einsetzbar, dass wir das durchaus für realistisch halten.
Gleichzeitig geht es für uns darum, unser Geschäftskonzept zu schärfen, konkrete Use Cases zu identifizieren, in denen unser Drucker besondere Vorteile bietet, und darauf aufbauend ein Unternehmen zu schaffen, das nicht nur uns, sondern auch weitere Menschen beschäftigt. Wir wollen also – direkt wie auch indirekt – durch den Einsatz unserer Technologie neue Perspektiven schaffen.
Tipps für Gründende
Was war die wichtigste Lektion, die ihr als Gründende gelernt habt?
Jasper Helle: Nun, wir stehen ja selber noch am Anfang unserer Reise, und für uns liegt der Fokus momentan ganz klar auf dem Lernen, nicht auf dem Lehren.
Wenn ich trotzdem einen Tipp geben darf, dann wäre es der: Proaktivität wird im Leben belohnt – in allen Bereichen. Egal ob in der Schule, an der Uni, in der Ausbildung, im Privaten oder wo auch immer. Auf Menschen zuzugehen und mehr zu geben als zu nehmen, kann nie schaden. Proaktivität öffnet Türen, von denen man vorher vielleicht gar nicht wusste, dass es sie gibt – und sie kann das Leben schneller verändern, als man es sich vorstellen kann.
Geht auf Menschen zu, die ihr interessant findet oder die aus eurer Sicht etwas Beeindruckendes erreicht haben, und sagt es ihnen!
In unserer Gesellschaft gibt es leider oft Missgunst und Konkurrenzdenken – ich bin aber überzeugt, dass man gemeinsam immer weiter kommt als allein.
Welche Ratschläge würdet ihr anderen Gründenden mitgeben?
Jasper Helle: Seid mutig! Ich denke, gerade für die Menschen in NRW ist das wichtig. In anderen Regionen der Welt wird einem dieser Mut, dieses Selbstvertrauen, oft stärker vermittelt – wir dagegen machen uns hier manchmal kleiner, als wir sind. In dieser Region liegt so viel Potenzial und wir haben vielfach bewiesen, dass wir hier einiges auf dem Kasten haben. Ich meine damit keine blinde Arroganz, aber ich glaube auch, dass wir uns nicht verstecken sollen.
Ich wünsche mir ein NRW, das Bündnisse schmiedet und gemeinsam an einem Strang zieht. Hier leben so viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Lebenswegen – und alle haben etwas Wertvolles beizutragen. Es ist schade, dass immer wieder Spaltung und Zwietracht gesät werden. NRW als Schmelztiegel bietet einen fruchtbaren Boden, auf dem immer wieder Neues und Großartiges entstehen kann.
NRW kann mit ganz vielen anderen Standorten auf dieser Welt mithalten, das gelingt aber nur, wenn wir mutig sind. Wenn ihr von eurer Idee überzeugt seid, strahlt das aus. Steckt Herzblut hinein und ihr werdet hoffentlich eines Tages belohnt.
Die anderen kochen außerdem auch nur mit Wasser!
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