Timo Visestamkul: Klar hat mir das Studium irgendwo eine coole Struktur gegeben, aber Gründen lernst du nur, wenn du es machst – learning by doing. Will ich allen mitgeben. Das ist echt wichtig.
Fabio Gressies: Willkommen zu einer neuen Folge des #NeueGründerzeit-Podcasts. Wir sind heute im schönen Siegen. Ich habe die Fahrt hierhin auf jeden Fall sehr genossen. Und ich sitze heute hier mit Timo, dem Gründer von Innofarming und freue mich total, dass wir heute hier sind. Du hast mich gerade schon ein bisschen durch euer altes Büro, euren alten Coworking-Space geführt und ich bin gespannt, was du heute so erzählst. Vielleicht fangen wir am Anfang an. Warum sitzen wir heute hier? Was ist Innofarming?
Timo Visestamkul: Innofarming ist ein Start-Up, gegründet hier aus der Universität Siegen und wir entwickeln ein Vertical-Indoor-Farming-System und wollen damit die Landwirtschaft der Zukunft mitgestalten. Bei Vertical Indoor Farming kultiviert man Lebensmittel auf mehreren Etagen, übereinander, auf wenigen Quadratmetern und kontrolliert, weil das ganze Indoor passiert, alle Wachstumsparameter und Umgebungen. Das bedeutet, dass wir künstlich bewässern, beleuchten und Nährstoffe zugeben. Jetzt hatten wir das Wort künstlich – wir geben den Pflanzen nichts anderes, als sie es draußen auch bekommen, nur 365 Tage im Jahr, optimiert und kontrolliert.
Fabio Gressies: Das ist ja schon eine Nische, würde ich sagen, in der du dich bewegst. Wie kam es dazu, dass du gemerkt hast: „Hey, das interessiert mich. Da könnte man was daraus machen.“?
Timo Visestamkul: Es ist eigentlich eine ganz coole Geschichte. Ich habe ja gerade gesagt, dass wir das Start-Up aus der Universität Siegen gegründet haben, denn ich habe meinen Master in Entrepreneurship und SME Management hier in Siegen gemacht. Ich hatte dann einen Kurs, der den coolen und prägnanten Namen „Nuts and Bolts of Business Plans“ hatte.
Fabio Gressies: Nuts and Bolts?
Timo Visestamkul: Ja, genau.
Fabio Gressies: Okay.
Timo Visestamkul: Und der Sinn dieses Kurses war im Endeffekt, eine Idee zu pitchen, deine Kommilitonen davon zu überzeugen, dass diese Idee cool ist und dann in Zweierteams diese Idee in einen Businessplan zu schreiben. Und wie der Zufall und das gute Timing es so wollten, habe ich in meiner WhatsApp-Familiengruppe eine WhatsApp-Nachricht von meinem Vater bekommen. Da war diese eine Doku, die ich mir dann angeguckt habe, die er reingeschickt hatte, mit dem Titel „Die Menschheit im Jahre 2100“. Und da waren fliegende Autos, Roboter, künstliche Intelligenz, alles Mögliche wurde da gezeigt und dann so für 5 Sekunden ein Bild von einer Vertical Farm und zwar einer, die in Amerika steht. Und ich dachte mir nur so, „Oh, was ist das denn? Voll interessant!“, und habe mich da in diese Thematik reingearbeitet und deswegen habe ich das Thema in diesem Kurs gepitcht und konnte so unsere Ingenieurin Charleen Ayelou quasi davon überzeugen mitzumachen. Nach diesem Kurs, nach diesem, auch fundierten, Businessplan, der dann die Vision, die Anfangsvision, doch noch mal umgekrempelt hat, habe ich mir gedacht: „Okay, wir haben jetzt eine Ingenieurin, mich als BWLer, wir arbeiten mit Pflanzen – jetzt bräuchten wir eigentlich noch einen Biologen oder eine Biologin.“ Dann wusste ich noch, „Hey, ich habe doch einen Kollegen, der in Münster Biotechnologie studiert im Master“, den habe ich angesprochen, habe ihm damals in unserer Heimat Lüdenscheid in einem Café die Idee gepitcht und seitdem ist er auch mit dabei, haben uns dann für das Gründerstipendium NRW qualifiziert und haben dann, seit Juni 2020, im Gründerbüro Siegen damit angefangen, diese Idee zu pushen, haben die ersten Prototypen gebaut, beziehungsweise den allerersten Prototypen gebaut und sind jetzt seit ungefähr Mitte 2021 in der Smarten Demonstrationsfabrik Siegen und bauen dort jetzt den zweiten beziehungsweise dritten und damit skalierten Prototypen auf, wo wir das Vertical Indoor Farming, so wie es eigentlich vorgesehen ist, und zwar in die Höhe skaliert, aufbauen möchten.
Fabio Gressies: Mich würde jetzt interessieren, du hast gesagt, du hast den Master in Entrepreneurship gemacht – war das für dich das erste Mal, dass du mit diesem Thema überhaupt in Kontakt gekommen bist, oder bist du mit 12 schon durch die Straßen gelaufen und hast gesagt: „Irgendwann will ich meine eigene Firma gründen!“? Wie war da der Bezug?
Timo Visestamkul: Finde ich eine sehr gute Frage, weil, ich habe in Dortmund an der TU Dortmund meinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften gemacht, dann habe ich außerhalb des Studiums, aber immer noch an der TU Dortmund, vom Zentrum für Entrepreneurship mal einen Kurs mitgemacht, wo im Endeffekt Gründer, die sich in Dortmund selbstständig gemacht haben, Alumni quasi von der TU Dortmund, einfach mal ihre Gründerstory erzählt haben. Da ging es auch gar nicht so großartig um die Idee, aber mit welcher Leidenschaft die das erzählt haben und was da auch teilweise für eine Motivation dahintersteckte und was es denen auch für eine Erfüllung gegeben hat, obwohl das so ein steiniger Weg war für die, das hat mich so inspiriert, dass ich mir gesagt habe, „Hey, das ist der Weg, den ich gehen möchte!“, und habe dann auch mein Studium darauf ausgelegt. Deswegen bin ich hier auch nach Siegen gekommen, um meinen Master genau in diesem Fach zu studieren. Es ist schön und gut, wenn man selbstständig sein möchte, nichtsdestotrotz braucht man dafür die Idee. Du denkst, du hast die Idee, aber es sind auch tausend andere, die teilweise diese Idee hatten. Es ist schon ganz lustig. Die Sache ist nur, wie setzt du das um? Das habe ich gelernt. Und mit dem Studium und der richtigen Idee, zusammen mit der Struktur und dem richtigen Team bin ich jetzt da, wo ich heute bin und – was jetzt auch noch eine andere Sache ist – ich habe hier in Siegen auch von anderen Gründern noch mal gehört. Da waren wieder Gründer, die mich wieder so inspiriert haben und die mich auch irgendwo an die Hand genommen haben und gesagt haben: „Hey, wir haben hier ein Gründerbüro. Ihr bekommt hier Hilfe, wenn ihr gründen möchtet“. Das ist der Vorteil an Siegen, dass sich hier halt irgendwie, irgendwo, jeder kennt und die Kontakte zur Industrie extrem schnell geknüpft werden und das hat uns extrem geholfen. Deswegen haben wir gegründet, deswegen habe ich auch gegründet und deswegen stehen wir mit Innofarming da, wo wir gerade sind, und das auch hier in Siegen, obwohl man Siegen nicht unbedingt mit Gründung assoziiert.
Fabio Gressies: Du hast gerade zum Schluss gesagt, ihr steht da, wo ihr mit Innofarming gerade seid. Wo steht ihr denn?
Timo Visestamkul: Ja, also ich habe ja gerade schon gesagt, wir haben in der Smarten Demonstrationsfabrik jetzt eine Fläche bezogen, wo wir quasi den zweiten Prototypen aufgebaut haben. Den kann man sich so vorstellen, unser allererster Prototyp war ein ganz kleines Regal in einem Grow-Zelt im Gründerbüro Siegen, der zweite Prototyp ist ungefähr ein zwei Meter hohes Regal, wo wir in ungefähr sechs bis acht Etagen Pflanzen kultivieren und das mit unserer Bewässerung, und zwar einer fogponischen Bewässerung. Jetzt habe ich schon wieder einen Fachbegriff gedroppt. Im Endeffekt ist das Nebelbewässerung – fogponic, fog, Nebel. Das funktioniert so, dass unsere Wurzeln in der Luft hängen, in diesem Modul, in diesem kleinen geschlossenen Raum und wir Nebel in diesen Raum pumpen und dann die Wurzel mit Nebel benetzt wird. Der Vorteil hierbei ist es, dass die Wurzel die Nährstofflösung, die aufgenebelt ist in diesem Nebel, perfekt aufnehmen kann und so sowohl das Wurzelwachstum als auch das Pflanzenwachstum beschleunigt wird und das nicht nur im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft, sondern auch im Vergleich zu herkömmlichen Vertical-Farming-Methoden, die im Endeffekt Fluchtmechanismen nutzen. Den Aufbau, den wir vorhaben, den gibt es – weltweit sogar – nicht. Nicht so, wie wir es vorhaben. Und da sind wir echt froh, dass wir in dieser Demonstrationsfläche sind, um da ausprobieren zu können. Das bedeutet, wir sind gerade in der Planung, das ist unser momentaner Stand in der Planung, und in der Absprache mit unseren Partnern, wie wir am besten diesen Prototypen aufbauen und da haben wir auch mit der Uni Siegen eine Abschlussarbeit Maschinenbau darüber, die uns dabei unterstützt. Super interessant und es macht auch wirklich viel Spaß, mit den Partnern zusammenzuarbeiten, mit den Partnerunternehmen, vor allem, wenn die genauso motiviert sind wie man selber.
Fabio Gressies: Sehr schön dir zuzuhören! Wie ist da so dieses Frustrationsthema bei euch?
Timo Visestamkul: Wir haben uns schon so den Kopf zerbrochen an einer Problematik, die wir hatten. Und es ist viel DIY, dementsprechend funktioniert nicht alles beim ersten Mal. Dann hat man halt mal eine Überschwemmung oder dann hat mal was nicht funktioniert. Dann muss man etwas komplett neu überdenken. Klar, das frustriert schon irgendwo. Da ist es extrem wichtig, finde ich, mit dem Team zusammen zu sprechen, sich gegenseitig auch zu pushen. Nichtsdestotrotz sind dann, wenn man es dann schafft, die Erfolgsmomente noch umso befriedigender, muss man ganz klar sagen. Und bis jetzt haben wir für jedes Problem mal kürzer, mal länger gebraucht, aber trotzdem immer eine Lösung gefunden. Ich glaube das ist auch eines der wichtigsten Dinge, die ein Gründer oder eine Gründerin mitbringen muss und zwar Durchhaltevermögen und Ausdauer, weil es ist Fakt, es wird niemals so funktionieren, wie du es dir am Anfang gedacht hast. Du musst dich immer neu anpassen.
Fabio Gressies: Da gibt es doch diesen Pivot oder so. Heißt das nicht Pivot, immer wieder so offen zu sein, dass sich Dinge auch verändern dürfen?
Timo Visestamkul: Absolut. Und ich meine, es ist so lustig. Wir haben ja den Businessplan geschrieben. Der ist jetzt, glaube ich, fast 2 Jahre alt. Der hat sich halt komplett geändert. Und so eine Krise wie Corona, eine Krise aber auch wie durch die Ukraine, die kann man einfach nicht vorhersehen und die damit einhergehenden Problematiken, wie zum Beispiel Lieferengpässe, Lieferschwierigkeiten, von denen sind wir auch betroffen und wenn dann plötzlich ein paar Bestandteile deines Produktes oder deines Gesamtsystems ein Jahr Lieferzeit haben, … jo. Also das sind dann auch wieder Frustrationen, Probleme. Man muss halt damit umgehen, man muss mit der Situation umgehen, wie man sie bekommt. Man kann natürlich auch Weg X und Y noch irgendwo versuchen zu finden, aber jeder Tag ist eine neue Herausforderung.
Fabio Gressies: Gibt es da bei euch schon irgendwelche Pläne in Bezug auf Gelder einsammeln oder Fördermittel beantragen? Wie sieht der Prozess bei euch aus?
Timo Visestamkul: Wir haben angefangen mit dem Gründerstipendium NRW, haben dann noch mal, und sind da auch wirklich froh darüber, mit dem Landeswirtschaftsministerium NRW viel zusammengearbeitet, sind da auch noch mal in eine Förderung reingekommen, um diesen Prototypen in der Smarten Demonstrationsfabrik aufzubauen. Und nichtsdestotrotz war das eine, ich sage jetzt mal vergleichsweise für die Branche, kleine Förderung, kleine Summe, die wir da bekommen haben und jetzt das Ganze zu skalieren wird schon deutlich teurer. Also da gehen wir auch schon in die höheren sechsstelligen Bereiche, allein vom Material her und von den Produkten. Da sind wir jetzt ebenfalls mit dem Landeswirtschaftsministerium in Gesprächen. Oder man geht jetzt einen anderen Weg und versucht jetzt auf private Investoren zuzugehen, denen das zu zeigen, wenn wir unseren skalierten Prototypen aufgebaut haben, mit der gewissen Automatisierung, so wie wir es vorhaben, um dann den Schritt zu gehen, „okay wir können jetzt die erste kommerzielle Farm aufbauen“, ist extrem schwierig gerade. Es ist echt nicht einfach, weil es so ein großes Projekt ist, weil so viele Komponenten da einfach mit reinspielen. Also super herausfordernd, aber auch voll interessant.
Fabio Gressies: Wie sieht es denn zukunftsmäßig bei euch aus und was ist vielleicht so das ganz große Ziel, was ihr anstrebt?
Timo Visestamkul: Die Endvision von uns ist ja, an den Distributionszentren die Farm aufzubauen. Um das aber gewährleisten zu können, müssen wir erst mal validieren, dass unsere Bewässerung, so wie wir sie vorhaben, auch in skalierter Art und Weise funktioniert. Und das ist jetzt quasi der Schritt, an dem wir gerade sind. Wenn man jetzt noch ein paar Jahre weitergeht, dann haben wir vor, nicht nur die Produkte zu verkaufen, auch die Technologie, auch die Wachstums- oder die Kultivierungsplattform. Was man aber davor machen muss, ist, diese Plattform zu validieren und Daten zu sammeln, denn, was wir vorhaben, ist, dass wir in der Endstufe unser System an den Endkunden verkaufen können und ein – ich nenne das immer gerne Plug-and-grow-System anbieten können. Das bedeutet, der Endkunde, der da eine große skalierte Farm hingebaut hat, mit unserer Technologie, mit unseren Komponenten, muss nur noch auf einen Knopf drücken und das System sät die Samen, kultiviert und erntet das Produkt, automatisch.
Fabio Gressies (im Hintegrund): Okay, krass.
Timo Visestamkul: Aber um das gewährleisten zu können, brauchen wir eine gewisse Datengrundlage und die müssen wir mit unserer ersten kommerziell skalierten Farm sammeln, damit unser System weiß, wann sind die Produkte mit welchen Bedingungen, mit welcher Lichteinstrahlung, mit welcher Nährstoffzugabe, erntefertig. Und deswegen in erster Instanz der Aufbau der skalierten Farm mit dem Verkauf der Produkte und dann in der nächsten Instanz der Verkauf der Technologieplattform, vielleicht sogar mit dem lizensierten Verkauf unter der Brand Innofarming. Wir wollen nämlich die erste Lebensmittelmarke etablieren, im Gemüse- und Obstregal, die man mit immer hochwertiger und gleichbleibender Qualität assoziiert …
Fabio Gressies (im Hintergrund): Finde ich gut. Ja, gefällt mir.
Timo Visestamkul: … und das 365 Tage im Jahr, regional und nachhaltig.
Fabio Gressies: Dann würde ich an der Stelle auf jeden Fall schon mal sagen, drücke ich euch definitiv die Daumen. Ich finde das mega interessant und es ist einfach was Gutes.
Timo Visestamkul: Ja, danke dir. Freut mich natürlich zu hören. Da liegt noch ganz, ganz viel Arbeit vor uns, da bin ich fest von überzeugt, aber wir lassen uns davon nicht entmutigen und wollen mit den richtigen Partnern da die richtigen Lösungen schaffen – absolut, ja. Und falls ihr Kontakt mit mir aufnehmen wollt, ihr findet mich auf jeden Fall über LinkedIn, Timo Visestamkul. Da sind wir immer gerne offen für Vernetzung, sowohl für Interessenten, die einfach mal über das Thema Vertical Farming mehr erfahren wollen, aber auch Unternehmen, die denken, dass sie uns vielleicht bei diesem Weg unterstützen können.
Fabio Gressies: Und da sind wir am Ende einer weiteren Folge des #NeueGründerzeit-Podcasts angekommen. Mein Name ist Fabio Gressies und falls du jetzt Lust hast, neue, spannende Gründergeschichten zu hören, kannst du das gerne tun. Du findest den Podcast überall, wo es Podcasts gibt oder einfach unter gründen.nrw. Viel Spaß beim Weiterhören!
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