Sylvie und Tobias von Werder, Gründer von Rehappy
„Ich wollte immer etwas mit Medizintechnik machen“

So beginnt die Gründungsgeschichte von Dr. Sylvie von Werder. Konkreter wurde die Idee während ihres Masterstudiums und der anschließenden Promotion, als Sylvie von Werder an Schlaganfallpatientinnen und -patienten erlebte, wie schwer es für diese Menschen ist, zurück ins Leben zu finden.

Rehappy: App für die Schlaganfallnachsorge

Dr. Sylvie von Werder

„Es muss eine bessere Nachsorgelösung für diese Zielgruppe geben“, so Sylvie von Werders Credo. 2016 begann sie mit Unterstützung der RWTH Aachen die Entwicklung eines Nachsorgeprodukts. Bei Sylvie und Tobias von Werder ist Rehappy dabei herausgekommen, eine App mit Webportal und Bewegungstracker, seit 2020 zugelassen als Medizinprodukt der Klasse 1 und über die Krankenkassen auf Rezept verfügbar.

2017 konnte sie mit ihrem Ehemann und Co-Gründer Tobias ein EXIST-Gründerstipendium zur Finanzierung ihres Vorhabens einwerben. Dabei handelt es sich um eine auf 12 Monate angelegte Unterstützung. Das Ziel: innovative Geschäftsideen zu fördern, die technologieorientierte oder wissensbasierte Produkte mit signifikanten Alleinstellungsmerkmalen und guten wirtschaftlichen Erfolgsaussichten hervorbringen.

Für alle, die sich ebenfalls auf ein derartiges Stipendium bewerben möchten, hält Sylvie von Werder drei Tipps parat:

  • Die Idee muss überzeugen.
  • Gleichzeitig muss die Idee betriebswirtschaftlich sauber aufgearbeitet sein.
  • Und es bedarf eines Teams, das alle benötigten Kompetenzen glaubhaft abdecke.

Oder anders ausgedrückt: „Die einzureichende Projektskizze muss eine Mischung aus Innovation und Realismus sein“, fasst Sylvie von Werder zusammen.

Zielgruppenanalyse

Um den Markt und das Bedürfnis von Schlaganfallpatientinnen und -patienten besser zu verstehen, hat Sylvie von Werder 2017 im ersten Schritt eine Befragung mit rund 250 Teilnehmenden gestartet. Teilgenommen haben Betroffene selbst, Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzte, aber auch Angehörige. Im Fokus stand dabei die Frage: Wie muss eine App aufgebaut sein, und welche Inhalte muss sie bieten, damit eine breite Zielgruppe sie nutzen kann – insbesondere Menschen im Alter von 65+? Zur Beantwortung dieser Frage hat sich das Ehepaar von Werder im Rahmen der Gründung Rat von einer Therapeutin eingeholt. Heute gehören zum Rehappy-Team Expertinnen und Experten aus den Bereichen Psychologie, Logopädie, Ergotherapie, aber auch Vertrieb und IT-Entwicklung.

Die Gründung gemeinsam mit dem Ehemann habe wunderbar funktioniert, da man sich inhaltlich perfekt ergänze. Sylvie bringe den Ingenieurwissenschaften- und Medizin-Hintergrund mit, Tobias die betriebswirtschaftliche Expertise. „Mit meinem Mann zu gründen bedeutet, meinen vertrautesten Partner an meiner Seite zu haben“, sagt Sylvie von Werder. „Aber es bedarf auch einiger Regeln. Wir haben sozusagen von der Couch aus gegründet. Damit hat man nicht die Distanz zur Arbeit wie in einem Büro. Für uns galt: Ab dem Zähneputzen abends ist Rehappy tabu. Man musste auch mal abschalten.“

Antrieb und Motivation

Motivation während ihrer Gründung, die Sylvie von Werder mit einer Achterbahnfahrt vergleicht, bekommt sie und ihr Team immer wieder von den Menschen, denen sie helfen: „Ich würde es immer wieder machen. Die Patientinnen und Patienten sind unser Motor. Es ist die Dankbarkeit der Nutzenden, die uns antreibt.“

Wie es bei einer Achterbahnfahrt aber ist: Es geht nicht nur hoch hinaus, sondern teilweise auch sehr schnell für einige Zeit hinunter. „Man braucht Mut. Denn es gibt überall Hindernisse und Gegenwind. Das habe ich bereits im Ingenieurstudium erfahren, als Vorlesungen mit den Worten begannen ‚Meine Dame, meine Herren‘ – und das haben wir während der Gründung u.a. bei der Zulassung der App zum Medizinprodukt mit vielen, vielen Regularien erlebt.“ Eine weitere, sehr persönliche Herausforderung während der Gründung war: Sylvie von Werder war schwanger. „Ich bin in der Überzeugung erzogen, dass man als Frau alles machen kann, was auch Männer können. Und ich habe gesagt: Familie und Gründung eines Start-ups – das muss zusammengehen.“ Allerdings fügt Sylvie von Werder ehrlicherweise hinzu: „Es ist nicht immer einfach, aber möglich.“Neben Mut brauche es vor allem eine klare Zielstrebigkeit und Lösungsorientierung. Grundlage dafür ist, dass man an seine Idee und sein Produkt glaube.

„Man muss die Lösung sehen, nicht die Probleme und immer optimistisch sein und nicht zögerlich“
Sylvie von Werders

„Ich beobachte allerdings, dass man als Gründerin mehr vorausdenkt, kommunikativer ist, vielleicht auch komplexer – dafür aber auch verträglicher als ein gründender Mann“, lacht Sylvie von Werder. Wichtig findet sie es für eine gute Balance, in einem gemischtgeschlechtlichen Team zu gründen. Ihr helfe es, dass sie sich auf das Produkt und ihr Mann sich auf die Prozesse und Finanzen fokussieren könne.

Gefragt, wohin der Weg mit Rehappy noch führen soll, sagt Sylvie von Werder: „Wir sind froh, dass die Krankenkassen mitziehen und Rehappy gesetzlich Versicherten bei Schlaganfall-Diagnose auf Rezept zur Verfügung stellen. Wir müssen aber noch mehr tun, um es bei medizinischem Fachpersonal bekannt zu machen. Denn die Ärztinnen und Ärzte müssen Rehappy verschreiben – und dafür natürlich den Mehrwert kennen.“

Mit einem eigenen Vertriebsteam kläre man Ärztinnen und Ärzte auf, betreibe Kaltakquise und besuche Kongresse zur Steigerung des Bekanntheitsgrads.

„Unser erklärtes Ziel ist es, mit Rehappy die App für die Schlaganfallnachsorge zu sein. Gleichzeitig planen wir, das Produkt auch für Schädel-Hirn-Trauma und bestimmte chronische Krankheiten auszuweiten. Darüber hinaus sollen auf EU-Ebene weitere Länder folgen, z. B. Frankreich bis 2023.“